Shakira

Oral Fixation Vol. 2

Leider nicht toll: Routinierter Rock und katholische Liebeslyrik

Sehr, sehr schade, daß die Platte nicht gut ist. Es wäre die phantastische Gelegenheit gewesen, diese Frau überschwenglich in Schutz zu nehmen gegen die naheliegenden Verwechslungen: die Verwechslung mit HIPHOP von lüreen Ziemer

Ballermann-Latina Jennifer Lopez, die Verwechslung mit der verzweifelt den Schwitzbauch zeigenden Christina Aguilera, die Verwechslung mit allen singenden Nachrichtensprecherinnen aus Satellitenschüssel-Staaten. Shakira ist nämlich toll, das Tollste an „Oral Fixation Vol. 2“ ist aber das Cover, auf dem sie als schöne Eva den Apfel der Erkenntnis hält und gegen das mißgünstige Baby verteidigt, das im Baum sitzt. Das Baby, das schon auf dem Coverbild der ersten Folge, „Fijacion Oral Vol. 1“, an ihre Brust wollte. Diese Platte war übrigens grandios.

Es könnte an der sonderbaren Logik liegen: Die spanischen Songs der ersten Folge hat Shakira mit lateinamerikanischen Komponisten geschrieben, die englischen Songs der zweiten Folge mit Rock-Pop-Typen aus den USA. Der bärtige Künstlerfreund Rick Rubin hat zwar beide Platten produziert, der entrückte, oft wie Mandelkuchen und stark erhitzter Rotwein riechende Folk-Pop des spanischen Albums ist auf dem englischen jedoch – mit wenigen Ausnahmen – durch altbakkene Studiomusiker-Routine ersetzt worden, zuckelnde Rock-Balladen, wie sie sonst nur Eurovision-Contest-Verlierer und, tja, Alanis Morissette singen.

Santanas Brennender-Busch-Gitarre klingt auf „Illegal“ noch mehr als sonst nach „in der Tür geirrt“, die Mischung aus Dancehall, Flamenco und Spaghetti-Westem in „Animal City“ beweist endlich mal, daß man doch nicht alles mischen soll, und der unfreiwillige Gag des Monats geht so: Im Schlußlied „Timor“ (Menschenrechts-Dance-Rock mit Kinderchor) singt Shakira die Worte „East Timor“ wie Cyndi Lauper ihr „She Bop“, ein Lied über Selbstbefriedigung.

Künstlerische Gründe hat das nicht – es geht freilich nur darum, daß Shakira im Radio gespielt wird, wo man sie nicht sehen kann, wo man von der „unschuldigen Sinnlichkeit“ nichts mitbekommt, die Gabriel Garcia Marquez an ihr beobachtet hat. Daß sie die lateinamerikanische Feuermähne so hemmungslos spielt, alle Erwartungen übererfüllt, bis die Leute Angst vor ihr kriegen, und dazu mit ihrer leicht belegten Stimme eine folkloristisch-düstere, katholische Liebeslyrik singt, bleibt ihre Stärke. Leider muß sie oft Tina Turner sein, um das weiter zu finanzieren. (Sony BMG) JOACHIM HENTSCHEL