
Die Vergangenheit ist ein warmer, kuscheliger Ort. Im Unterschied zur Zukunft ist dort alles an seinem Platz, Kleiderordnung und Musik sind klar definiert. Unter den vielen Communitys, die sich um Retro-Pop-Phänomene gruppieren, sind die Freunde des klassischen Soul wohl am muntersten und geschmackssichersten.
Es geht nicht bloß um Musik, sondern mehr noch um Stil und Haltung. Dass Sharon Jones & The Dap-Kings ihr sechstes Album „Give The People What They Want“ genannt haben, ist deshalb kein Wunder. Soul ist hier ganz nah bei seinen Wurzeln, die Vergangenheit macht einfach weiter. In Songtiteln wie „People Don’t Get What They Deserve“ klingt die Bürgerrechtsbewegung der frühen 60er-Jahre an, die opulenten Arrangements schwelgen in einem farbenprächtigen Sound, den man der- art detailverliebt heute nirgendwo mehr hört.
Sharon Jones Stimme klingt manchmal wie die der jungen Tina Turner, ist auf eine eigenwillige Weise rau und geschmeidig. Im Unterschied zu modernem Soul und R&B wird hier ordentlich Schweiß und Herzblut vergossen. Songs wie „Making Up And Breaking Up (And Making Up And Breaking Up Over Again)“ sind in ihrer Lebensweisheit bei den einfachen Leuten. Andere mögen noch vom sozialen Aufstieg träumen – hier lebt man eher einen realen Alltag. Die stampfende Wucht von „Retreat!“ hat fast etwas Biblisches, der Sound der Saxofone ist exquisit.
Die Arbeit an „Give The People What They Want“ wurde überschattet, als bei Sharon Jones im vergangenen Frühjahr Bauchspeicheldrüsenkrebs diagnostiziert wurde. Nach einer langwierigen Operation erholt sich die Sängerin nun Upstate New York, um sich in Form zu bringen für eine große Tour. Wir wünschen ihr alles Gute! Sharon Jones & The Dap-Kings mögen in einer Zeitblase leben, in der es ewig 1964 ist. Aber es ist schön dort. Die durch und durch brillante Musik von „Give The People What They Want“ vermittelt Wärme, Lebensfreude und einen Zusammenhalt, der leider etwas aus der Mode gekommen ist. Wie gesagt, die Vergangenheit ist ein kuscheliger Ort.
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