Short cuts

Helge Schneider Hefte raus – Klassenarbeit! (Mercury)

Er ist der beste, weil einzige deutsche Entertainer, wenn man mal vom Conferencier Harald Schmidt absieht. Helge Schneider kommt daher wie ein Gesamtkunstwerk aus Harald Juhnke, Peter Frankenfeld und einem Animateur auf Kindergeburtstagen. Weil bei ihm alles Assoziation ist, gibt es keinen Unterschied zwischen guten Pointen und geradezu öden Erzählungen. So versetzt er sein Publikum in ein fortwährendes Kichern, was herrlich auf diesem Live-Album zu hören ist. Etwa wenn er einige Takte Beethoven anschlägt oder in „Ich habe mich vertan“ unvermittelt wie Westernhagen röhrt. Der Titel ist symbolisch für Schneider, der sich für seine Belanglosigkeit und ausgestellte Unfähigkeit zu entschuldigen scheint, noch bevor er etwas gesagt oder getan hat. Deshalb wird auch gejubelt und gelacht, wenn er Hancocks „Cantaloup Island“ mit seiner „kleinen Band Hardcore“ kongenial variiert oder in Elvis‘ „Love Me Tender“ mit einem Schlenker „Love Me Do“ von den Beatles einbaut Noch im gröbsten Unfug findet er den subtilsten Witz. Unangreifbar. 4,0

Phife Dawg – Ventilation (Groove Attack)

Native Tongue und Next School waren gestern. Auf seinem ersten Solo-Album nach der Auflösung von A Tribe Called Quest kann Phife Dawg endlich dem Basketball frönen und zu reduzierten Melodien die Bässe richtig bollern lassen. Ein klassisches, abgeklärtes Statement, das er auch dem Rap-Nachwuchs hinter die Ohren knallt 3,0

Torch – Blauer Samt (V2)

Er war der Erste, ist immer noch da und wird womöglich auch der Letzte sein. Das gibt Torch, einst Rapper von Advanced Chemistry, eine Selbstgewissheit, die mit Bitterkeit und Arroganz einhergeht. Denn er ist auch ein Zukurzgekommener, der im unnützen ideologischen Zwist über den wahren HipHop schlicht überrollt wurde von den Popstars des deutschen Sprechgesangs. „Blauer Samt“ ist eine weitere Kampfansage mit gleich 18 Songs, von denen etwa „Die Welt brennt“ und „Als ich zur Schule ging“ zu suggestiven Melodienschlaufen grandios gerappt sind, während manch arg verknapptes Bass & Reim-Stück ins Leere läuft 3,5

Les Freres Checkolade – Multiplication De L’Amusement (Marsh)

Als „Hamburgs erste französisch singende Boygroup“ angepriesen, tragen Florian Pfefferkorn, Ulli Paradis und Thore Levermann ihre musikalische Sozialisation dann auch wie in einem Bauchladen vor sich her. Was alles andere als schlimm ist, denn auf „Multiplication De L’Amusement“ webt dieses charmante Trio feinste 80er-Jahre-Klangteppiche und schwebt so selig zwischen Chanson, Synthie- und Gitarrenpop oder einfach sympathischen Sound-Spielereien. Das berückende Stück „Gisele“ ist sogar ein richtiger Hit. Da stellt sich nur noch die Frage: Wann endlich werden „La Boum“l und 2“ im Fernsehen wiederholt? 3,0

Jets To Brazil – Four Cornered Night (Cargo)

Bekanntlich ist bei den Jets To Brazil zumindest was die Independent/Post-Hardcore-Szene angeht – immer ein veritables Staraufgebot zu finden. Rekrutieren sich deren Mitglieder doch unter anderen aus Bands wie Texas Is The Reason, Jawbreaker oder Handsome. Bedeutend bedächtiger und ruhiger agiert das New Yorker Quartett um Frontmann Blake Schwarzenbach auf seinem Zweitling „Four Cornered Night“: Raffinierter Indie-Pop mit nur gelegentlichen Ausbrüchen, der bei Freunden von den Weakerthans auf einen fruchtbaren Boden fallen dürfte. Für den Text ihres Schlusspunkts „All Things Good And Nice“ hätte man Rolf Zuckowski und seine Freunde wohl gesteinigt – bei Jets To Brazil wird allerdings eine zauberhafte Widmung draus. 3,5

Pothead – Burninq Bridges (Janitor Records)

Seit Sänger/Gitarrist Brad und Bassist Jeff aus Seattle nach Berlin übergesiedelt sind, spielen sie mit dem deutschen Schlagzeuger Sebastian soliden Punkrock und Metal. Auch ihr siebtes, nun „independent“ veröffentlichtes Album birgt keine Überraschung. 2,5

Mambo Kurt – Back In Beige (Virgin)

Als armer Vetter von Helge Schneider und Wigald Boning gehört der Mambo Kurt zu jenen Alleinunterhaltern, die an der Heimorgel ihren Schrecken auf Hochzeiten und Betriebsfeiern verbreiten. Somit passte er perfekt in Veronas Trash-Welt, doch sein Gastspiel endete mit der Sendung. Nun muss er wieder richtig arbeiten, zur „Damenwahl“ auffordern und Jung wie Alt mit Medleys aus Metal, Rap und Schnulzen auf die Tanzfläche kriegen. Mit wohlfeilem Dilletantismus zerschunkelt er „Highway To Hell“, „I Was Made For Lovin‘ You“, „Die Flut“ und – unverzeihlich – „Es geht voran“ der Fehlfarben. Das ist der ganze Witz, und darüber grinst man höchstens einmal.1,0

MJ Cole – Sincere (Edel Records)

2 Step heißt der erste Sound-Hype des neuen Millenniums. Als Erfinder gilt MJ Cole mit seiner Single „Sincere“, der nun sein gleichnamiges Debütalbum präsentiert: Drum’n’Bass, House, Big Beats und R&B, elegant verschachtelt zum Tänzen und Relaxen. 3,0

Last Days Of April – Angel Youth /Gordeon)

Gibt es wirklich schon mehr als genug schrammeligen Indie-Pop, ob nun aus England, den USA oder Skandinavien? Last Days Of April aus Schweden beweisen mit Bravour das Gegenteil. Was ihnen schon ansatzweise auf dem Vorgänger „Rainmaker“ gelang, wird auf „AngelYouth“ (produziert von Fireside-Mitglied Pelle Gunnerfeldt) mit noch mehr Finesse fortgeführt und auch hier kommt man unweigerlich zu dem Schluss, dass der „alternativen“ skandinavischen Musik immer auch eine gehörige Portion Melancholie innewohnt. Fans von Promise Ring, Jejune oder den Get Up Kids dürften an „Angel Youth“ ihre helle Freude haben. 3,5

Diverse – Amiga A Go-Go Vol.1 (BMG)

Unter „Deutsch-demokratische rare Grooves“ ist famoser bis kurioser Funk und Jazz aus den Siebzigern aufgeführt, den man zu Acid Jazz-Zeiten hätte ausgraben sollen, so die Hommage des Philly-Adepten Günther Fischer mit Manfred Krug als Marvin Gaye. 3,0

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