Short cuts von Wolfgang Doebeling

Ray Condo & His Ricochets

High & Wild (JOAOUIN/FENN) Verglichen mit dem Fiddle-getriebenen Rockabilly-Furor, den der Kanadier Ray Condo in den 80er Jahren mit den Hardrock Goners entfachte, mutet seine Swing-Mixtur mit den Ricochets fast safe an, wie abgefedert. Das täuscht freilich, denn Jiigh & Wild“ ist ebendas: eine zu Kopf steigende, ungemein in die Beine gehende, provozierend lässige Melange aus Jazz und Pop. Carl Manns „Baby I Don’t Care“ schafft trotz Billy-Schluckauf und gekräuselter Lippe noch den Spagat zur Sophistication, Gene Vincents „I Flipped“ ist umnachteter als das Original, und Cole Porters „What Is This Thing Called Love“ macht einen zweiminütigen Umweg über West-Texas, bevor Condo ans Mikro tritt und dem sentimentalen Text ein paar absurde Seiten abgewinnt. Und wer „Many Tears Ago“ in der 60er Hit-„version von Connie Francis kennt, wird ob des lockeren Swings der Schnulze schön ins Staunen geraten. Höhepunkt ist die fulminante Ricochets-Variante von Mose Allisons „Parchment Farm“. Bluesabilly, anyone? 4,0

Savoy Grand

Dirty Pillows (GLItrERHOUSE/IIS) Eine Entdeckung aus England. Ruhiges Pathos, Graham Langleys Gesang getragen, den Ton haltend, bis die Luft knapp wird und die Stimme bebt Ganz zart nur, wie die spärliche, effektvolle Instrumentation aus hohlem Orgeln, schwermütigen Streichern, Vibes und Celli. Die Gitarre in MolL der Bass lakonisch, die Drums weniger Rhythmus-Gerüst als nervöse Ablenkung. Besen, Becken und Ride. Die Songs blasen Trübsal. „I was sorry to hear your father, the chemist had died/ But relieved to find you took what he prescribed“, singt Langley in Slow Motion. Literarische, ästhetisierte Schwermut. Nicht real wie bei Dakota Suite, nicht die Kehle zuschnürend. Fiktion nur, die aber zum Genießen. 3,5

Sharon Shannon The Diamond Mountain Session:

(GRAPEVINE)

Man muss nicht Purist sein, um Sharon Shannons Ausflug in Americana-Gefilde als nur leidlich gelungen und reichlich überflüssig zu empfinden. Sicher, sie hat schon zuvor vom Folk-Fach zum Rock gewechselt, tourte nicht nur mit Christy Moore, sondern war auch Mitglied der Waterboys. Doch rankten sich ihre Akkordeon-Künste stets um irische Weisen und immergrüne Reels. Ein Cajun-Flirt auf ihrer ersten Solo-LP vor zehn Jahren, doch auch der keltisch geerdet. Und jetzt dieser transatlantische Auftrieb: Jackson Browne, Steve Earle, John Prine. Shannons Finger fegen über die Tasten, leider ohne richtig intim zu werden mit dem Material und den Stimmen der Freunde aus Kentucky, Texas und California. Vieles bleibt äußerlich, bester Track daher: „Diamond Mountain“. Ein Instrumental. 2,5

Ed Harcourt

Maplewood (HEavenly/zombai Nur Tom McRae kann sich von der Presse vielgepriesener unter den neuen britischen Songwritern nennen als Ed Harcourt. Doch während McRae auf Drama setzt und ein bisschen auf Schwulst, schreibt der Mann aus Brighton, gerade 23 Jahre alt, eher unaufgeregte, aber höchst eingängige Songs, die er in die unterschiedlichsten Arrangements bettet Das reicht von warmem Wohlklang über rootsiges Schnarren bis zum kalkulierten Experimental-Pop. 3,0

Alan Jackson When Somebody Loves You (ARI STA/B MG >

Jackson ist gewiss noch immer eine Klasse besser als die gesamte Nachfolge-Generation singender Hüte aus Nashville, doch er befindet sich seit Jahren schon auf dem absteigenden Ast, und dies ist sein lausigstes Album. Obwohl er sich in Ironie übt „I like my women hot and my beer ice cold“, verkündet er, wohl nur halb im Ernst „It’s Alright To Be A Redneck“ ist, lasst uns dafür beten, Persiflage pur. Sonst müsste man ja Parallelen zur deutschen Leidkultur ziehen. Zu „Es ist geil, ein Arschloch zu sein“ etwa, das unter mehr Weihnachtsbäumen lag als sonst eine Platte. Oder zu Ulrich Wickerts Kampfschrift „Vom Glück, Franzose zu sein“. In die Gesellschaft von Container-Deppen und schwülen Genussmenschen gehört Alan Jackson nun beileibe nicht. Und: Drei Tracks sind durchaus okay. 2,0

HughCornwell

Hi-Fi (KOCH) Das letzte Stranglers-Werk, ohne Cornwell natürlich, war ein seifiges Nichts. ,,Hi-Fi“ (von besserwisserischen Dumpfbacken stur „haifie“ ausgesprochen, treibt einen zur Weißglut) macht die richtigen, rabaukigen Pubrock-Geräusche, bietet Saxofon auf und Harmonika, gibt dem Sänger auch mal Raum für Melancholie, scheitert jedoch an der melodischen Eintönigkeit der meisten Songs, leider. 2,0

TheMarlowes

NuclearSuitcase ishiny fly/tis) fcrkehrte Welt: Während sich der Remmidemmi-Rock von Limp Roach und Papa Bizkit millionenfach verschachern lässt, ohne auch nur den Hauch einer Melodie zu verströmen, plagt sich jene Stilrichtung im Underground ab, die Ohrwürmer züchtet wie das Fernsehen Idioten: Powerpop. The Marlowes aus Providence, Rhode Island gehören mit ihrem kraftvollen, rifflastigen Sound nicht zu den elegantesten Vertretern dieser Musikgattung, dafür zu den robustesten. Ihre Wurzeln liegen eher in den frühen Siebzigern, bei den Raspberries, und im Powerpop-Revival der frühen Achtziger als in den Sixties. Mit einem Touch Replacements. Can’t be bad. 3,0

Dave Goodman

Roadbook Rhymes

(C JOSSC U 1/ E DE L CONTRAIREI

Jimi Hendrix und Keith Richards zählt der Kanadier zu seinen frühesten Einflüssen, danach beschäftigte er sich mit Jazz, studierte Musik, vervollständigte seine Technik und spielte in einer Blues-Rock-Formation, mit der es ihn nach Europa verschlug. Klingt wie eine Gitarristen-Karriere, die sich in Kunsthandwerk verlieren könnte. Doch beweist Goodman auf den 15 akustischen, zwischen Folk und Blues angesiedelten Cuts, dass er sich bei aller Versiertheit jenen Grad an emotionaler Intelligenz bewahrt hat, ohne den auch die größten Virtuosen ins Leere laufen. Feine Platte. 3,0

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