Short Cuts :: VON WOLFGANG DOEBELING

Nina Nastasia – The Blackened Air (TOUCH AND GO/EFA)

Ein Abgrund von einem Album. Songs wie seelische Konvulsionen, voller Tragik und Fatalismus. Eine karge Klanglandschaft aus Cello und Viola, Mandoline und wehmütig wimmernder Säge. Und eine Sängerin, deren Sopran so schön wie entrückt vor diese kammermusikalische Kulisse tritt. Die New Yorkerin Nina Nastasia ist nach Chicago gepilgert, zu Steve Albini, dem Druiden der Analogie, der ihren Nachtschattengeschöpfen die Pein der Kompression ersparte, der ihnen Raum gab und ihre Dornen nicht abfeilte. Und so kratzen die Töne bisweilen, dringen disharmonisch unter die Haut. Was Nastasias dunklen Traumgesang auf wundersame Weise komplementiert. „So little gets done, so little is fun“, weiß sie und klingt doch nie depressiv, bloß verletzt und endlos traurig. 4,0

Jack – The End Of The Way It’s Always Been (LES DISQUES DU CREPUSCULE)

Die orchestrale Opulenz früherer Werke nunmehr reduziert und von Computer-Beats durchschossen, ist die Briten-Band mit Hang zu Romantik und Prätention auf einem französischen Label gelandet. Dort weiß man Jacks Sub-Joy-Division-Dramen mehr zu schätzen als im UK, erst recht, seit sie ihre Pomp-Balladen mit Electro-Funk aufladen und wohlfeile Samples streuen. Over the top. 2,5

James – Getting Away With It… Live (ZOMBA)

James-Tunes leben von der Stärke ihrer Melodien, weshalb das Studio-Output der Band aus Manchester in den letzten Jahren an Vitalität einbüßte. Live setzt man zwar vornehmlich auf den Hymne-Faktor und animiert zum Mitsingen, doch gerät man damit unweigerlich ins Fahrwasser der, Schauder, Simple Minds. Auf „What’s The World“ wird leider verzichtet, dafür gräbt man „Hymn From A Village“ aus. Und investiert hinreichend Hohn und Hass in die fünf Minuten der Anti-Evangelisten-Tirade „God Only Knows“. Trotzdem insgesamt reichlich fade und farblos. 2,0

Sophie Ellis-Bextor – Read My Lips (POLYDOR/UNIVERSAL)

Dem feinen Gitarren-Rock von The Audience entfleucht, den mechanistischen Disco-Beats von Spiller entwachsen, scheint die aparte Sophie ihre Bestimmung gefunden zu haben: „Read My Lips“ ‚ist randvoll mit intelligentem Dance-Pop, synthetisch und doch nicht ohne Soul, Electronica-verliebt und doch Song-orientiert, lasziv und unterkühlt gesungen, aber mit gehörig Glamour. An eine Satellitenschüssel erinnere ihn Sophies Antlitz, lästerte unlängst Robbie Williams. Da wünscht man sich doch, in Abwandlung des alten Brian-Wilson-Postulats „two girls for every boy“: a satellite dish for every man! 3,0

The Fullbliss – This Temple Is Haunted (ULFTONE/EDEL CONTRAIRE)

US-Rock hat derzeit Konjunktur, solange er sich krakeelend auskotzt. Je vulgärer und trivialer, desto massentauglicher. The Fullbliss, das Trio um den Ex-Jud-Kopf David Clemmons, wird in Mosh-Pits nichts gewinnen können. Zu schwergängig und schwermütig sind die meisten der zehn Tracks auf dieser Debüt-LP, zu wuchtig, massig und bleiern andererseits für den sich an Subtilitäten erfreuenden Musikliebhaber. Trotz Folk-motivierter Songs wie JDry River“ oder Streicher-verzierten Nettigkeiten wie „This Morning“. Zwiespältig. 2,5

Nils Lofgren – Break Away Angel (HYPERTENSION/SONY MUSIC)

Als Songschmied gewieft im Aufbau von Spannungsbögen, als Vokalist mit einem warmen, sympathischen und ewig jungen Tenor gesegnet und als Gitarrist von geradezu lässiger Brillanz, hätte Nils Lofgren etwas Besseres verdient, als den Bühnenkasper für den Boss zu machen. Mitte der 70er Jahre wäre ihm beinahe der Sprung in die oberste Spielklasse gelungen, mit dem fabelhaften Album „Cry Tough „und fulminanten Live-Shows. Doch dann kam Punk. Und Lofgrens elastischer Rock wirkte plötzlich altbacken. Wie seine Solo-Scheiben seither. Auch das musikalisch untadelige, primär akustische „Angel“ macht da gar keine Ausnahme. Der rootsige Galopp von „Tears Ain’t Enough“ klingt munter, die Marshmellow-Ballade „I Can’t Fly“ mixt Flügelhorn mit Pedal-Steel, das mit Lou Reed geschriebene „Driftin‘ Man“ hat nichts von Onkel Lous onanistischer Kunstbeflissenheit. Schöne Platte eigentlich, wäre da nicht die und die strukturelle Glätte des Sounds. 3,0

Mountain – High (LIGHTYEAR/INNAKUSTIK)

Die Wiederkunft des Schweinerock amerikanischer Blues-Prägung. Mountain mögen zum Duo geschrumpft sein (West & Laing), der kollektive Testosteron-Ausstoß ist merklich niedriger und die Haarpracht dünner, aber wie man niemals kleckert und stets klotzt, verlernt man wohl nicht so leicht. Am Ende setzt es ein fast achtminütiges Remake von „Nantucket Sleighride“, pseudo-sinfonisch. 1,5

Michael Bolton – Only A Woman Like You (ZOMBA)

Geht es schmieriger als Modern Talking? Das nicht, aber Michael Bolton arbeitet daran. 1,0

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