John Maclean :: Slow West
Ein romantisches Greenhorn, ein tougher Outlaw und ein schottischer Musiker geben einen Western
Der junge schottische Adlige Jay Cavendish hat sich in die hübsche Bauerstochter Rose Ross verliebt. Sie sieht in ihm dummerweise eher einen kleinen Bruder als einen Liebhaber, doch das hindert den schwärmerischen Jüngling nicht daran, sich voller Liebespathos auf die Seite ihrer Familie zu stellen, als es zu einer Auseinandersetzung zwischen seinem Vater, Rupert, und Rose’ Vater, John, kommt. Durch ein Missgeschick stolpert und stirbt Rupert bei diesem Handgemenge. John und Rose verlassen darauf hin fluchtartig ihre Heimat Richtung Amerika.
Jay kann Rose jedoch nicht vergessen und macht sich auf den Weg in den amerikanischen Westen, um dort seine große Liebe wiederzufinden. Aber naturgemäß ist der romantische Sternengucker, den man wirklich mit einigem Recht auch als Nichtrothaut ein Bleichgesicht nennen kann, für einen Ritt durch dieses harte Land nicht geschaffen. Nicht einmal einen Hut gegen die brennende Sonne hat er dabei. Natürlich ist er so eine leichte Beute für die Outlaws, die durch die Wälder und Prärien reiten. So etwa für Silas Selleck, der den Jungen aus einer kniffligen Situation rettet und ihm schließlich anbietet, ihn an sein Ziel zu geleiten. Nicht ganz uneigennützig natürlich, wie der Zuschauer im Gegensatz zu Jay bald erfährt: Auf John und Rose ist ein Kopfgeld von 2.000 Dollar ausgesetzt.
„Slow West“ ist das Spielfilmdebüt des Schotten John Maclean, der früher einmal als Keyboarder bei der Beta Band spielte, die ja ihren großen Kinomoment einst in „High Fidelity“ hatten, als John Cusack in seiner Rolle als Plattenladenbesitzer ihr „Dry The Rain“ auflegte und innerhalb weniger Minuten zig Exemplare ihrer gesammelten EPs verkaufte. Nach seiner Musikerkarriere hat Maclean zwei Kurzfilme gedreht, beide mit Michael Fassbender in der Hauptrolle, der in „Slow West“ den raubeinigen Silas Selleck spielt, der, mit den Gesetzen des Westens vertraut, hinter jeder Ecke einen Schurken vermutet und stets den harten Mann markiert.
Der Titel dieses Films ist natürlich eine Abwandlung des berühmten Slogans, mit dem im 19. Jahrhundert für die Expansion der USA Richtung Westen geworben wurde: „Go West, young man.“ Doch hier ist der vom jungen australischen Schauspieler Kodi Smit-McPhee mit großer Unschuld verkörperte zögerliche junge Mann nicht auf der Suche nach Gold oder Land, sondern nach der blauen Blume der Romantik. Schließlich ist er ein Landsmann von William Blake und ähnelt einem anderen unfreiwilligen Westernhelden gleichen Namens: dem von Johnny Depp gespielten Buchhalter mit der Kugel im Leib aus Jim Jarmuschs „Dead Man“. Und natürlich ist „Slow West“ ebenso wie dieser Film oder das Coen-Brüder-Epos „True Grit“ eine Art Meta- oder meinetwegen auch Post-Western.
Obwohl die Konstellation tragisch ist („Romeo und Julia“ nach John-Ford-Art vielleicht) und Maclean seine Figuren durchaus ernst nimmt, ist „Slow West“ in seiner Lakonie, seinem Slapstick, dem nicht selten ironischen Spiel mit den Konventionen und Codes des Genres und dem faszinierten Blick eines Fremden auf den amerikanischen Mythos des Westens doch vor allem sehr komisch, ohne dabei aber in Klamauk oder Klischee abzudriften. So könnte man ja beispielsweise meinen, die beiden ungleichen Gefährten würden sich im Verlauf ihrer Reise nach Art des Buddy-Movie annähern und ihr Ziel schließlich als dicke Freunde erreichen. Aber dieser (fast) bis zum Schluss wie ein ruhiger Fluss dahinfließende Film zieht seine Spannung gerade aus dem Unterlaufen solcher Erwartungen und der niemals ganz geklärten Beziehung zwischen Silas und Jay.
Während der Outlaw seinen jungen Begleiter – dieses „Kaninchen in der Wolfshöhle“, das immer voller Hoffnung auf die große Liebe und den Erfolg seines Vorhabens ist und ihm sogar einmal das Leben rettet (und dafür seine Unschuld verliert) – auf eine ungläubige Art bewundert, legt Jay sein Misstrauen gegenüber seinem brutalen Begleiter nie ganz ab. Einmal versucht er sogar, ihn abzuschütteln, fällt dann aber einem harmlos erscheinenden Volkskundler namens Werner zum Opfer und steht schließlich ohne Pferd und Klamotten im Nirgendwo. Silas liest ihn auf, und die beiden reiten ohne ein Wort weiter.
Am Ende ihrer Reise haben sie auch noch die Kopfgeldjägerbande von Payne auf den Fersen und müssen sich durch einen von Indianern verteidigten Geisterwald kämpfen. Als sie schließlich ihr Ziel erreichen und die Hütte von Rose und John Ross von einem goldenen Weizenfeld illuminiert vor ihnen liegt wie das Gelobte Land, fällt ein Schuss – es wird nicht der letzte sein in dem folgenden gewaltigen Showdown.