Söhne Mannheims – Zion

Mannheim ist das neue Jerusalem, und der heilige Berg Zion liegt neuerdings auf dem Heidelberger Königsstuhl. Das ist zumindest die Vision, die Xavier Naidoo in der Silvesternacht 1992/93 ereilt hat „Das neue Jerusalem würde viereckig angelegt sein als Quadratestadt, als sternförmige Planstadt mit 144 einzelnen Vierecken. Mannheim und 144 000 Auserwählte würden in den Genuss kommen, dort zu leben“, schreibt der 29-Jährige eigenhändig im Pressetext zum Debütalbum seiner Band Söhne Mannheims. Die hat er als Konsequenz aus dieser Erscheinung im Winter 1995 gegründet Ein Fall für den Sektenbeauftragten, sollte man meinen.

Denn was dieser sendungsbewusste Lokalpatriot in Stücken wie „Armageddon“, „Wir haben euch noch nichts getan“ oder „Sofern Du mir nah bist“ an Inhalten verbreitet, mag sich einer silvesterlichen Vfolldröhnung verdanken, klingt jedoch einigermaßen bedenklich: Geschickt von einer höheren Macht wollen die Söhne Licht ins Dunkel bringen – wer nicht zu den Glücklichen auf der Arche Naidoo gehört, hat Pech gehabt Zeilen wie „Guck zu, dass du zu de Auserwählte zähltsch unn beim Durchzähle net fehisch“ klingen auch auf gut Mannemerisch nicht wirklich harmlos. Immerhin werden die krudesten Botschaften durch Sketche in Badesalz-Manier relativiert („Armageddon ist ganz klar das Ende von Angst, Hass, Neid und Missgunst – bin ich ja froh, dass wir noch ma driwwer gred hawwe“), so dass man Hoffnung haben kann, dass die Grundüberlegungen der Aufklärung nicht ganz spurlos an Mannheim vorbeigegangen sind.

Das ist von daher beruhigend, weil es offensichtlich eine enorme Nachfrage nach dem Pop-Evangelistentum Naidoos gibt – das von den Söhnen selbst vertriebene „Zion“ hatte schon vor Erscheinen Goldstatus. Das muss aber nicht an der religiösen Bedürftigkeit der chronisch Sinn suchenden Deutschen liegen, denn musikalisch bietet dieses in Edo Zankis Karlsdorfer Studio produzierte Album Erstaunliches: Neben den obligatorischen Schmacht-Balladen zu Ehren Jahs wildern die Söhne in allen Beritten klassischer Popmusik: „Volle Kraft voraus“ reduziert sich auf das Unerlässliche – zwei völlig ungeschützte Soul-Stimmen (Naidoo und Rolf Stahlhofen), ein Piano und minimalste Sound-Accessoires. An anderer Stelle herrscht dagegen die pralle Opulenz: In „Komm heim“ schmettert der Ex-Faschingsprinz Claus Eisenmann im satten Opernton die Titelzeile, und die 17-köpfige Band sorgt dabei mit doppelt besetzten Instrumenten für einen ganz unübersichtlichen Wall of Sound.

„2jon“ besticht vor allem durch perfekte, variable Gesangsarrangements – die trotz eines Überangebotes an guten Sängern nie den Fehler machen, die grandiose Stimme Naidoos aus dem Zentrum der Songs zu nehmen. Auch wenn dem Prediger die Mütze brennt.

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