Steinbruch
Abteilung „In Würde altern“: Das Durchschnittsalter der Steinbruch-Insassen liegt in diesem Monat recht hoch. Trotzdem sehen die meisten im Licht ihrer Platten gar nicht so alt aus, wie sie sind. Im Stundenglas des JAMES TAYLOR zum Beispiel fließen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ineinander. Das Dutzend Songs auf Jiourglass“, seinem ersten Studio-Album seit fünf Jahren (Columbia/Sony), entfaltet zeitlos schöne Qualitäten – mit illustren Gästen wie Cellist b-b Ma, Stevie Wonder am Mundhobel, Branford Marsalis und Michael Brecker (Saxophone) und Shawn Colvin (Vocals). Seit drei Jahrzehnten im Geschäft, strahlt Taylor jetzt eine Altersweisheit aus, vor der man nur den Hut ziehen kann. 3,5 Auch die ATLANTA RHYTHM SECTION wartet zum 25jährigen Bestehen mit einem überzeugenden Alterswerk auf. „Partly Plugged“ (ARIS) bietet Southern Rock vom feinsten, mit Country-Würze und dezenten Anklängen an Steely Dan und Poco – und dies alles auch exzellent produziert. 3,0
Tom Scholz bewegt sich seit den Siebzigern in seinem eigenen Kosmos, und daß er alle Jubeljahre einmal einen neuen Song schreibt, hat’s in den Neunzigern anscheinend bisher nur für vier neue Titel gereicht. Die finden sich nun als Zugabe zu den „Greatest Hits“ von BOSTON (Epic/Sony) – einer recht überzeugenden Werkschau der Vorkämpfer für political correctness.
drogenfreie Zonen und vegetarische Power im Mainstream-Rock. 2,0
CHARLES AZNAVOUR feierte am 22. Mai seinen 73. Geburtstag. Zur Feier des Tages veröffentlichte der Altmeister des französischen Chansons mit „Plus bleu…“ (EMI) ein Album, das als Quintessenz aus fünf Jahrzehnten durchgehen könnte. Aznavour legt sich als Chansonnier nochmal mächtig ins Zeug, setzt dabei Karibik-, Zigano-, Gospel- und Klezmer-Tupfer und sorgt letztlich für Rührung mit dem Titelstück „Plus bleu que tes yeux“, einem Duo mit seiner frühen Förderin, der legendären Edith Piaf. Die moderne Technik macht’s möglich. 3,0 Bleiben wir kurz in Paris: Im vergangenen Sommer fiel dort ein Kulturdenkmal dem Baggerzahn zum Opfer – das Olympia. Vor dem Abriß der Halle spielten fünf vitale Veteranen zum Tanz auf. Ian Gillan, Roger Glover, Ian Pake, Jon Lord und Steve Morse standen unter Strom und gaben ein Potpourri ihrer größte Hits zum Besten. Also dürfen sich die Fans von DEEP PURPLE über das Doppel-Album „Live At The Olympia“ (EMI) freuen, das Klassiker aus drei Jahrzehnten wie „Speed King“, „Black Night“ und „Smoke On The Water“ enthält. 3,0
Auch Tante ALICE COOPER konnte sich letztens, im mexikanischen Cabo San Lucas, noch einmal zu einem Live-Ereignis aufraffen. Mittlerweile drogen- und alkoholfrei, wie er beteuert, liefert Herr
Cooper mit „A Fistful Of Alice“ (EMI) einen Querschnitt seiner größten Hits – von „Under My Wheels“ und „School’s Out“ über „No More Mr. Nice Guy“ bis hin zu „Elected“. An der Gitarre glänzt ein nicht ganz unbekannter, talentierter junger Mann namens Slash. Der hat ja anderswo auch nicht mehr viel zutun. 3,0 Kalifornischer Gitarrenrock der sympathischen Sorte findet sich auf dem dritten Album von TOAD THE WET SPROCKET. „Coil“ (Columia/Sony) geht dem Liebhaber aufrechter, ungekünstelter Songs herunter wie Butter, könnte allerdings hier und da ein paar Borsten, ein etwas kantigeres Profil vertragen. 2,5
Das wiederum haben die INDIGO GIRLS zur Genüge, und deshalb fallt „Shaming Of The Sun“ (Epic/Sony) beeindruckend aus. Von Herzblut-Balladen wie JLeeds“ über Folk-Rocker wie „Scooter Boys“ und „It’s Alright“ bis hin zu hiphoppigen Songs wie „Shed Your Skin“ spielen Amy Ray und Emily Saliers ein starkes Blatt Trumpfkarten aus. Abwechslung und Tempo, Spannung und Emotion, Pop und Politik – alles drin und alles auf den Punkt. 4,0
Das gilt allerdings im gleichen Maß für JILL SOBULE. Die Songschreibertn aus Denver, Colorado, zeigt auf „Happy Town“ (Atlantic/eastwest) mit nachdenklichem, kritischem und provokativem Feeling arrangierte Songs samt „Whisky^A-Go-Go^Tbuch wie „When The Ship Comes In“. Jazzige Elemente und Küchen-Sound ä la Beck tragen zum verführerischen Charme dieses Albums bei. 4,0 Von Denver nach Stuttgart: Dort hat ein holdes Mädel namens MA-RIA LUX drei Musiker um sich geschart, um mit ihnen ein Konzept von „musikalischer Ambivalenz“, wie sie es nennt, umzusetzen. Auf „Eclipse“ (EMI) kommt dabei eine schwülstige Mischung aus Klassik-Samples, Ambient, TripHop und Jungmädchenkitsch mit verblasenen Texten in Englisch, Französisch und Italienisch heraus. Und darauf reagiert man bestenfalls ambivalent. 1,0
Der überzeugendste Epigone seit langem: CLINT BRADLEY nennt als musikalische Einflüsse Marty Robbins, Jim Reeves, Bing Crosby, Dean Martin und Roy Orbison, aber auch Paul Weller, Billy Bragg, Christy Moore und Shane Mac-Gowan. Hört sich gefährlich an, funktioniert aber. Die elf Songs auf seinem Debüt-Album „This Hour“ (ARIS) leugnen die Vorbilder nicht; Bradley, der sich als englischer Knabe vom Lande darstellt, singt wie eine Reinkarnation von Roy Orbinson; Marty Robbins meets Billy Bragg; Country und Folk gehen eine vortreffliche Verbindung ein. Und als Begleitgruppe überraschen die Blockheads, einst mit Ian Dury aktiv. 3,5
Ist die kanadische Dinosaurier-Band Saga zu seicht und nett, so übt sich nun deren Gitarrist IAN CHRICHTON auf seinem zweiten
Solo-Album „Ghettos By Design“ (USG/eastwest) in grimmiger Sozialkritik. Chrichtons einfache, aber leidlich plausible These: Alles geht den Bach runter. Deshalb heißen die Songs „Architects Of Lies“, „Criminals Of The Century“ und „Dangerous Times“. Dazu braten die Gitarren, als gäbe es kein Morgen. Pathos mit Haßkappe. 3,0
Zum „Mongolian Barbecue“ bitten schon wieder die notorischen LENINGRAD COWBOYS (Ariola). Sie bleiben sich treu und grillen diesmal unbekümmert Oldies wie „Sweet Home Alabama“ und „There Must Be An Angel“. Anstrengender Blödsinn. 1,5