Steinbruch Kurzbesprechungen

Diverse – Howl – A Farewell Sampler, 4,0

Glitterhouse/EFA GRCD 352

Das Fanzine „Howl hatte nicht viele Leser – schrieb aber über erlesene Bands. Wie die meisten Blätter, in denen öffentlich nachgedacht werden darf, hatte diese Zeitschrift keine Chance.

Zum Abschied singen Künstler, die auch nicht viele Chancen haben, tröstliche Lieder: Vic Chesnutt, dem es nach einem Zusammenbruch gar nicht gut geht, durchleidet mit brüchiger Stimme „Goodbye Sadness“, daß einem das Herz bricht; Souled American musizieren ein weiteres Mal, wie nur sie es beherrschen; Victoria Williams tiriliert „Feed The Birds“; die Mountain Goats kämpfen „Against Agamemnon“; David Rodriguez deutet „Die Gitarre und das Meer“. Andere Songs stammen von Giant Sand, Freakwater, The Setters und Sleepy Carter. Alle sind zum Heulen schön. „Howl“ gibt es nicht mehr – diese Musik aber wird bleiben.

The Comics – I Have Nothing To Offer The Worl But My Own Confusion, 3,0 RTD 307.2153.2

Daß die musikalischen Selbsteinschätzungen der Damen und Herren meist keinen Pfifferling wert sind, beweisen etwa auch The Comics aus München. Da munkeln sie auf dem Info zu ihrem fünften (!) Album bescheiden was von The Black Crowes sowie Primal Scream und werfen auch „Exile On Main Street“ in die Debatte, doch dabei sind sie Stones anno JBeggars Banquet pur.

Mag nun auch jemand den Rezensenten für verrückt oder gar betrunken erklären, aber Sailers Mick kriegt den Jagger Mick von anno ’68 mit Bravour hin. Und zusammen mit seinem Kollegen Aui Auer bekommt er glatt auch den Twin-Turbo-Sound des Richards/ Jones-Duos hin. Einfach nur mal den Titel Jerk“ hören und staunen. Und das selbstironische „Unsigned For A Decade“ ist einer der besten Titel, den die Glimmer Twins nicht geschrieben haben.

Red Hot Chili Peppers – Out In L.A., 3,5

EMI 8-29665-2

Die meisterhaften Spaßvögel des Funk-Punk lassen sich Zeit mit einem neuen Album. Nun blicken sie mit Demo-Versionen, unveröffentlichtem Material und Remixes erstmal auf Anfange und Zwischenstationen zurück. Bei vielen Musikern mag das Abzockerei mit ihrem Archiv-Müll sein, doch “ Out In L.A.“ enthält respektable Reste. Hier ist nachvollziehbar, wie Red Hot Chili Peppers den Crossover geprägt haben, Cover-Songs von Stevie Wonder und The Meters zum Funk-Rock und Rap stilisieren, live Jimi Hendrix und Theloneous Monk würdigen. Und mit „Blues For Meister“ und „Deck The Halls“ von 1994 zeigen sie zumindest, daß sie ihre Ironie nicht verloren haben.

The Go-Go’s – Return To The Valley Of The Go-Go’s, 3,0

EMI 831756 2

Welche Enttäuschung! Da glaubt man, endlich das langersehnte neue Go-Go’s-Album in den zitternden Fingern zu halten, und dann entpuppt sich das Werk mit Ausnahme von drei neuen Songs als Best-Of-Album. Okay, alle Goodies wie „We Got The Beat“, „Our Lips Are Sealed“ oder „Head Over Heels“ sind mit drauf, aber von der erfolgreichsten all girl group aller Zeiten kann und darf man nach über zehnjähriger Pause und diversen Reunion-Gigs doch schon ein bißchen mehr erwarten.

Aber man will ja nicht nur unken, denn auch die drei neuen Titel beweisen, warum die Go-Go’s damals den Mainstream-Pop für immer verändert haben. Wenn sie jetzt nur noch erneuten Schaffensdrang verspüren würden…

Big Light – POP 2000, 2,5

SPV 084-89212

Eine Berliner Band wagt den Ausblick. Bereits auf dem Debüt „High Density“ erprobten Big Light multikulturellen Optimismus und musikalische Offenheit, ohne eine Offenbarung zu erreichen. Rap, Funk, Acid Jazz, psychedelische Gitarren und Dance-Beats fließen in funktionierende Tanzmusik zusammen. Der jazzige Soul dürfte als idealer Groove im Radio taugen. Big Light sind klug und geschickt, aber ihre Globafität reicht über den Gemeinplatz nicht hinaus.

Weltempfänger – Hammerschmidt Ist Raus, 2,0

Boma Music 08325 B12

Weltempfänger machen Weltmusik. In 19 Liedern und 63 Minuten haken sie alles ab, was in Studentenkneipen oder von Straßenmusikanten gespielt wird: Kosaken-Folklore, Zigeunermelodien, Chanson, Irish Folk, Kirmes-Klingklang, altdeutsche Schlager und Neue Deutsche Welle, Klassik, Gutenachtlieder, besinnliche Pop-Balladen, Bar-Jazz und Ethno-Klänge. Weltempfänger musizieren in einer Welt, in der Rotwein und Räucherstäbchen das Herzstück von Kommunen bilden.

Anne Clark – Psycometry, 3,5

SPV 084-89282

Während in den 80er Jahren Gymnasiasten der Lyrik von Anne Clark lauschten, fühlen sich heute die Erfinder einer „Dark Wave“ für sie verantwortlich. Ach! Dieser Konzert-Mitschnitt, eine wunderbare Seance zwischen elektronischer Herzkammermusik und romantischer Dichtung, belegt: Anne Clarks Windmühlen des Geistes sind aus Papier gefertigt. „So Quiet Here“, „Fragility“, „At Midnight“: Alles wird Licht.

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