Steiner & Madlaina

„Nah dran“

Glitterhouse (VÖ: 7.11.)

Reife Leistung der nachdenklichen Schweizerinnen.

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Nora Steiner und Madlaina Pollina feiern mit ihrem vierten Studioalbum eine Art Karrierejubiläum. Seit zehn Jahren sind die beiden Um-die-30-Jährigen aus Zürich nun dabei. Sie haben in dieser Zeit das praktiziert, was alte Rocker einst „sich den Arsch abspielen“ nannten. Von den kleinsten Clubs bis in mittelformatige Hallen sind sie stets auf Achse geblieben. Dabei bleiben S&M vergleichsweise „resilient“, was die Untiefen des Rockbusiness anbetrifft. In diesem Parforceritt sind die wechselseitig singenden und musizierenden Musikerinnen auch im Studio kontinuierlich aktiv geblieben und haben sich innerhalb ihrer Band und auch in Sonderprojekten weiterentwickelt. Ihre Affinität zu italienischem Liedgut verlieh dem Ganzen ein zusätzliches Aroma.

Ein Plädoyer für das Aushalten von Ambivalenz

Das zeigt sich etwa im MundartFolk-Track „Hend mir nur wele glücklich si?“, der eine reife Gitarrenkomposition darstellt, die sich zu einem barocken Chorus hochschraubt. Waren sie ihren Anfangsjahren gern mal stürmisch, loten sie nun verstärkt Leonard-Cohen-Momente aus. Lieder wie „Leon“ oder das streicherunterstützte „Mama, ich bin ein reicher Mann“ künden von ihrem Händchen für komplexe Kompositionen, ohne dabei beflissen zu wirken. Letzterer Song hat die bemerkenswerten Textzeilen: „Geborn, gelebt, noch ist nicht alles gesagt/ Und doch ist das, was bleibt: Wir haben versagt.“ Kunstvoll verrätselt und dabei auch weise. Auch als Lyrikerinnen machen sie bella figura.

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Insgesamt hat „Nah dran“ keine wohlfeilen Antworten auf der Pfanne. Es stellt Fragen in einer Welt, die knallige Weisheiten raushaut. Ein Plädoyer für das Aushalten von Ambivalenz. Haltung ohne Eindeutigkeitsgepolter. Ansonsten Pop, Rock, Jazz und orchestrale Einheiten – mit Streichern, Kinderchor und Klavier.

Diese Review erschien zuerst im Rolling Stone Magazin 11/2025.