Stevie Wonder – Talking Book
Die frühen Meisterwerke des Wunderknaben in neuen Editionen
Irgendwer da oben muss Stevie Wonder lieben. Im zarten Alter von zwölf Jahren hatte er schon seinen ersten Nr. 1-Hit, und erfolgreicher als er waren (in den USA zumindest, wenn Joel Whitburns Statistiken nicht gefälscht sind) mit ihren Singles nur Elvis Presley und die Beatles. Im Gegensatz zu Marvin Gaye und Juni Hendrix – musizierende Kollegen, von denen er in jungen Jahren zweifellos einiges lernte -,John Lennon und Elvis kann er demnächst 50. Geburtstag feiern. Inzwischen zehrt er zwar ein wenig vom Ruhm seiner produktivsten Jahre, jenen von 1972 bis 1976, als er für seine Meisterwerke in Serie mit Grammys überhäuft wurde und „Songs In The Key Of Life“ es auf annähernd doppelt soviel Vinyl-Umsatz brachte wie das im selben Jahr erschienene „Hotel California“ der Eagles. Zu den ganz Großen der Populärmusik des letzten Jahrhunderts gehört er dennoch längst. Und wenn die große Geburtstagsfeier steigt, wird man weltweit auf allen Ätherwellen wieder jenen Evergreen spielen, der einer seiner größten Hits wurde, auch ohne dass er – „Happy Birthday“ – je auf Single erschienen wäre.
Als er mit 21 praktisch im Alleingang „Music Of My Mind“ (Motown 157 353-2, 3,5) aufnahm, war das eine ähnlich eindrucksvolle künstlerische Unabhängigkeitserklärung wie ein Jahr zuvor Marvin Gayes „What’s Going On“. Das von acht LP-Minuten auf Single-Länge gekürzte „Superwoman “ wurde zwar – für seine und Motown-Verhältnisse – ein relativer und die Folge-Single „Keep On Running“ ein glatter Flop (nur Platz 33 bzw. 90 der Hitparade). Aber dadurch ließ sich Stevie Wonder nicht beirren. Er produzierte auch die nächsten drei Longplayer selbst, und die warfen ein knappes Dutzend Hit-Singles ab, die ihn zum einflussreichsten Musiker jener Jahre machten. Hits wären damals garantiert auch zu Herzen gehende Balladen wie „I Believe“ oder „He’s Misstra Know-It-All“ geworden. Aber weder von Berry Gordy noch von Motowns Marketing-Strategen ließ sich Stevie Wonder damals in seine Veröffentlichungspolitik dreinreden. Vertraglich war klar festgelegt, dass er im Besitz der Original-Master blieb und ganz allein entscheiden durfte, was von seinen in Eigenregie produzierten Aufnahmen auf Singles und LPs zu veröffentlichen sei Leider mochte er die Original-Mutterbänder für diese Remaster nicht herausrücken, so dass dafür nur Kopien der zweiten Generation überspielt werden konnten. Mit dem Ergebnis, dass „Music Of My Mind“ nur marginal besser als zuvor, „Talking Book“ und auch „Nemesi One“(Motown 157 355-2, 5,0 ) denn doch um einiges und „Fulfillingness‘ First Finale“ (Motown 157 356-2, 4,0) um Klassen besser klingen als zuvor. Bei einigen Aufnahmen – beispielsweise „I Believe“ handelt es sich im übrigen entweder um Alternativ- oder Re-Mixes!