Sting – …All This Time
Bin Laden hatte es nicht so persönlich gemeint am 11. September aber Gordon Sumner neigt dazu, die Weltgeschichte sehr subjektiv zu deuten. Er weilte gerade in der Toskana, wo er ein Konzert ins weltweite Web übertragen wollte. Doch dann entschied Sting, wie stets mit Gespür für den historischen Moment, nur ein Lied ins Universum zu schicken: „Fragile“, ehedem gewidmet einem amerikanischen Ingenieur, der in den Wirren Nicaraguas getötet wurde. Nun, 14 Jahre später, ist es auch Gordon „T. S. Eliot“ Sumners „Tribute To Heroes“. Doch einen Feuerwehrhelm würde Sting in der Toskana niemals aufsetzen. Sieht nicht gut aus.
Das Konzert in der beliebten Urlaubslandschaft fand trotzdem statt. Und so, wie Joschka Fischer dort Gästen etwas Frugales mit Olivenöl und Kapern reichen lässt, hat auch Gordon „Fernando Pessoa“ Sumner etwas Leichtes, aber Exquisites für Besserverdiener angerichtet. An den Instrumenten stehen Spitzenköche und klöppeln und rasseln, blasen in Meeresmuscheln und zupfen die Laute. Gordon „Garcia Lorca“ Sumners Songs kehren als Bossa Nova wieder, als Rumba und Samba und mit Marimba. Alfred Biolek hätte seine Freude an gemessen schmissigen Interpetationen von „Roxanne“, „Fields Of Gold“, „Englishman In New York“, „Every Breath You Take“, „All This Time“ und „Moon Over Bourbon Street“. „Mack The Knife“ fehlt diesmal. Die Arrangements sind natürlich edel, gediegen und elegant. Gordon „Goethe“ Sumner hat auch Herz. Aber irgendwie respektiert man ihn nur, man bewundert ihn nicht. Er ist zu schlau, zu kultiviert, zu eitel. Und zu erfolgreich.
Einmal ließ er dennoch die Gäule durchgehen. Nachdem er den Jazz entdeckt und sein Solo-Debüt aufgenommen hatte, ging er mit Branford Marsalis, Manu Katche und Consorten auf Tournee. „ßn’ngOn TheNight“ ist eine phantastische Live-Platte, übrigens ohne alle Hits. Kenny Kirklands Piano-Solo! Aber Kirkland ist tot, und Gordon „Proust“ Sumner lebt. Möge er noch lange musizieren!
Meine liebste Sting-Geschichte ist die, in der er eines Nachts bei Vollmond einem besoffenen Bettler begegnet, der ihn mit fauligem Atem fragt: „How beautiful is the moon?“ Und Gordon Joyce“ Sumner antwortet spontan mit Shakespeare: „My mistress‘ eyes are nothing like the sun.“ So etwas freut ihn.