Sun Kil Moon :: Among The Leaves

Überlange Songs, karge Produktion, schrulliger Typ: Warum wir Mark Kozelek unbedingt brauchen

Bei aller Liebe, noch mehr Singer/Songwriter-Platten brauchen wir wirklich nicht. „Kleine, feine“ Liederalben, die schon so maßlos unterwürfig daherkommen, dass sie in Deutschland nicht mal richtig erscheinen. Korrekte Poesie, die sich jeder Kritik entzieht, außer der, dass sie langweilig ist. Und auch Mark Kozelek – früher Red House Painters, jetzt Sun Kil Moon oder ganz solo – bringt ja fast jedes Jahr irgendwas Neues raus, aktuell einen 73 Minuten langen 17-Song-Zyklus. Da steht man nun mit dem Dilemma, anderen Leuten klarmachen zu müssen, warum sie ausgerechnet „Among The Leaves“ unbedingt brauchen. Warum sie diese überlange, ausgesprochen karge Platte auf keinen Fall verwechseln dürfen mit dem Lamentato isländischer Sandalenbärte.

Möglichst sachlich, ohne Gewinsel über den herrlich einlullenden Effekt, den Kozeleks Müder-Parkwächter-Gesang über die lange Distanz hat, ohne Blabla über den klaustrophobisch-privaten Klangraum, die absolut vollendete Einsamkeit dieser Platte. Punkt eins: Kozelek, heute 45, mit eigenem Label in San Francisco sitzend, kultiviert echte Schrullen, arbeitet sich an ihnen ab. Seit er vor einigen Jahren eine Vorliebe für die Meister der klassischen Gitarre entwickelte, spielt er seine Songs konsequent auf Nylonsaiten, zupft kleine Minnesang-Etüden – eine verblüffende Bereicherung, wie man sie von keinem anderen Songwriter kennt. Punkt zwei: Er hat echte Geschichten, ist kein reiner Gefühlserzähler. Seine Musik ist mobil, sitzt im Flieger von Amerika nach Europa und zurück. Fast wie Woody Guthrie auf dem Güterzug.

Am allerbesten: „Among The Leaves“ tut erst gar nicht so, als wäre nichts gewesen. Sondern macht sich zum Meta-Album übers Singer-Songwritertum, sondiert die Groupie-Lage (Fazit: Nerds in Turnschuhen statt hübscher Mädchen), berichtet über Zwischenfälle mit Vorprogramm-Sängerinnen und Geschlechtskrankheiten. Zwischendurch traut Kozelek sich sogar, ein richtiges Arschloch zu spielen. „Songwriting’s lonely, songwriting hurts“, erklärt er im fantastischen „Track 8“ ganz unpoetisch, und vielleicht ist das der simple Grund, warum er ein so Besonderer ist: weil er seine Musik nicht benutzt, um Dinge zu verstecken. Weil er will, dass das gefunden wird, was er in sie hineinlegt. Man muss es nur tragen können. (Caldo Verde/Import)

Beste Songs: „Sunshine In Chicago“, „Track 8“

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