Talking Book :: Die Kratzbürste covert Stevie Wonder – ohne Überraschungen

Wären unsere Leben nicht stinklangweilig, würden sie immer nur nach Plan verlaufen? Ohne Umwege, ohne Blitzeinschläge? Wenn sich Macy Gray einem Projekt widmet, bei dem sie sich den Werken anderer Künstler annimmt, hat sie leider selbst die Umwege mit einkalkuliert und vorgezeichnet. Das war beim im März erschienenen „Covered“ bereits so, als sie sich unter anderem mit Radiohead und Arcade Fire beschäftigte, und das ist jetzt bei ihrer Neuaufnahme von Stevie Wonders Meilenstein „Talking Book“ – vor genau 40 Jahren so etwas wie der definitive Brückenschlag zwischen schwarzer Musik und Rock und dafür im englischsprachigen Raum mit dem netten Wort „überclassic“ geadelt – wieder der Fall.

Dass sie Songs wie „You Are The Sunshine Of My Life“ und „Big Brother“ mit ihrer kratzigen Werbestimme für Schweizer Kräuterbonbons ein neues Timbre verschafft – klar! Dass sie und Produzent Hal Willner Musiker um sich scharen, die nicht nur den Ton treffen, sondern echte Kanonen ihres Genres verkörpern – keine Überraschung! Und dass sie die alten Klassiker in neue Arrangements steckt, einigen ein moderneres Neo-Soul-Gewand für die Generation Mayer Hawthorne verpasst, andere wie „Superstition“ wiederum entschleunigt und ihrer Dynamik beraubt, während sie sich in Vokalakrobatik verliert – das Staunen hält sich in Grenzen. Man kann nicht einmal behaupten, die amerikanische Sängerin hätte Gotteslästerung betrieben oder wäre an der zu hohen Hürde gescheitert – weder kläglich noch grandios. Fragt sich nun: Wer will’s hören?

Möglicherweise nicht einmal der „Beschenkte“ selbst. Stevie Wonder soll sich noch nicht zum Geburtstagsständchen geäußert haben. (429/ Membran/Sony) Frank Lähnemann

El Perro Del Mar

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