Telepathe

„Dance Mother“

Melissa Livaudais und Busy Gangenes kennen die Achtziger wohl eher aus der Krabbel- und Plüschtier-Perspektive. Trotzdem rauschen bereits im ersten Stück ihres Debüts „Dance Mother“ die analogen Synthesizer so majestätisch und druckvoll, als wären’s die Victoriafälle.

Natürlich könnte man jetzt laut „New Order!“ brüllen. Aber da steckt auch noch eine reizend feminine Unschuld in dem meist gedoppelten Gesang, und die schweren Breaks gehören eher in die Welt des HipHop. Lauter Brüche, die einen enormen Reiz ausmachen.

Es war Busy Gangenes, die Telepathe 2004 ins Leben gerufen hat. Seitdem kamen und gingen diverse Mitglieder, bis dann Melissa Livaudais das aktuelle Duo komplettierte. Man jammte und experimentierte, ähnlich wie Gang Gang Dance, Effie Briest und andere befreundete Bands aus dem rührigen Klanglabor Brooklyn. Auf der EP „Farwell Forest“ hörte man dann erstmals die aktuelle Mischung aus lieblichen Melodien, hypnotischen Klangschleifen und zackigen Computer-Rhythmen.

Doch zu einem großen Teil ist es wohl auch Produzent David Sitek (TV On The Radio) zu verdanken, dass „Dance Mother“ so fantastisch klingt. „Wir waren wie Kinder in einem Süßigkeitenladen“, sagt Livaudais. „Der Mann hat die größte Synthesizer-Sammlung und alles, was man sich vorstellen kann.“ Sitek blies den experimentellen Pop von Telepathe dann gehörig auf, manchmal arbeitete er mit über 100 Klangspuren.

Das Ergebnis ist die pure Freude: Da gibt es das düster marschierende „Lights Go Down“ mit allerlei herrlich altmodisch quietschenden Sounds. Oder „Can’t Stand It“, dessen Klangwellen so prächtig und glitzernd heranrollen, als begänne nun eine weite Reise. Das treibende „Devils Trident“ betritt dagegen fast schon Techno-Terrain, wären da nicht die synkopierten Rhythmen.

Und fast immer ist es der Gesang, der einen endgültig in die Songs hineinzieht. Das raffinierte Spiel der beiden Stimmen, die sich so sehr ähneln. TV On The Radios Kyp Malone und Shannon Funches von !!! sind auch irgendwo als Gastsänger zu hören.

Doch Telepathe haben solche Promis überhaupt nicht nötig. „Dance Mother“ ist wunderbar erfrischender Pop, mit ein paar herrlich experimentell verspielten Ecken und Kanten. Und das ist erst der Anfang. (V2/COOP)

Jürgen Ziemer