The Cure

Wish

Dreampop? Alternative Rock? Irgendwas dazwischen. Und das erfolgreichste Album in der Geschichte von The Cure. Über eine Band, die Amerika eroberte, aber nicht mehr in Bestform war.

„Wish“ ist eine Träumerei, und in ihren gelungenen Momenten findet sie Ausdruck in „Friday I’m In Love“. Der Clip dazu ist eine Hommage an den französischen Filmpionier Georges Méliès und dessen 1907 gedrehten „L’éclipse du soleil en pleine lune“ (deutsch: „Die Sonnenfinsternis bei Vollmond“). Wenn Robert Smith vor wechselnden Leinwänden tanzt, gesellen sich die Sterne dazu, sowie eine Frau als Mond und ein Mann als Sonne. Smith sagte in einem Interview, man solle „Wish“ ja als Imperativ verstehen. Die Platte heißt nicht „Wunsch“, sondern, als Aufforderung, „wünsche!“. Was der Sänger sich im drei Jahre alten „Lovesong“ noch flüsternd ersehnte, „Fly Me To The Moon“, wurde hier Wirklichkeit: Sternenreise.

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Die drei Single-Auskopplungen „High“, „Friday I’m In Love“ und „A Letter To Elise“ standen für diese Art von Dreampop. In der Smith’schen Version bot das jedoch mehr Tiefe als jenes britische Genre, das in den Frühneunzigern durch Bands wie Ride, Pale Saints oder Lush groß wurde – und oft einen Tick zu schlafwandlerisch klang.

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The Cure waren in ihrer eigenen Liga, in ihren Träumen brachten sie auch den Schmerz mit: „And when I see you happy as a girl / That swims in a world of magic show / It makes me bite my fingers through.“ Und „From The Edge Of The Deep Green Sea“ war ein Epos wie „Disintegration“ oder später „Watching Me Fall“ – Smith würde immer mehr Text in seine Lieder verfrachten, Instrumental- und Gesangspassagen austarieren, fast From-Cradle-To-Grave-artige Geschichten erzählen.

Mit „Wish“ würden The Cure auch erstmals den amerikanischen Markt erobern, zum ersten und letzten Mal eine Nummer eins in den amerikanischen Billboard-Charts erreichen. Smith schenkte sich die Platte, die das Ende der längsten Cure-Studiopause (drei Jahre) markierte, zum 33. Geburtstag selbst. Sie erschien am 21. April.

Der Bandleader wollte den Erfolg unbedingt: Ausgerechnet das dunkle „Disintegration“ bescherte ihm 1989 den Durchbruch in den USA, die Single „Lovesong“ kletterte auf die Zwei. Smith kokettierte, wäre das Ding ein Chart-Topper geworden, er hätte The Cure aufgelöst.

Nie im Leben hätte er das.

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Was „Wish“ zur eher durchschnittlichen Platte macht, sind die Kontraste. Im Pop war Smith immer schon ein Meister. Im Rock nicht. Rock ist bei ihm Mucke. Stücke wie „Cut“, „Open“ und „End“ illustrierten zwar Smiths neu entdeckte Vorliebe für kurze Titel, eine Art Fatalismus. Allerdings wirkten diese Songs auch ziellos, uferlos, gerumpelt, laut allein der Lautstärke wegen. „ I Really Don’t Know What I’m Doing Here / I Really Thing I Should’ve Gone To Bed Tonight“, querelt der 33-Jährige in „Open“. Live wurde dieser Song als erster in der Cure-Geschichte mit drei Gitarren dargeboten. Ein Ausdruck von Planlosigkeit.

Vielleicht listet Wikipedia The Cure deshalb auch beharrlich als „ Alternative Rock Band“. 1991 wurden sie bei den „Brit Awards“ auch unter diesem Label als beste Gruppe ausgezeichnet.

Robert Smith würde „Wish“ bis heute dennoch als sein Lieblingsalbum bezeichnen. Wer das Glück – oder Pech – hat, konnte etwa bei der jüngsten Deutschlandtournee viele Songs dieses zehnten Studiowerks hören. Beim Auftakt in Hamburg gar sechs, das ist fast die Menge der Lieder, die allabendlich auch während der „Wish“-Tour 1992 dargeboten wurden.

Die damalige Konzertreise führte The Cure auch in den USA durch große Arenen, mit „Show“ würden sie ein Jahr später einen amerikanischen Mitschnitt veröffentlichen. Der jedoch könnte, dem Aufnahme-Ort entsprechend, nicht entfernter klingen von irgendeinem Ort, den man mit The Cure in Verbindung bringen würde: Auburn Hills, Detroit. Die Abmischung des Albums klang arg suggestiv. Stellenweise ist der Jubel so ruckartig laut, als sei jemand an einem Regler ausgerutscht.

Das Rätsel um„The Big Hand“

Das zweite, nahezu parallel veröffentlichte europäische Live-Album „Paris“ wurde auch zum Abschiedsgeschenk an Gitarrist Porl Thompson, der so wie Schlagzeuger Boris Williams die Band nach der Tournee verlassen würde: „At Night“ von 1980 war für ihn. Die Fassung von „Play For Today“ wiederum, bei der das französische Publikum die Keyboard-Melodie nachsingt, würde hiernach für Fans zur Vorlage für alle weiteren Live-Darbietungen des Songs werden.

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Lohnenswert sind sämtliche B-Seiten der „Wish“-Singles, die so einiges vom Album selbst in den Schatten stellen. Etwa „Play“, „This Twilight Garden“ (bei der jüngsten Tour wieder ausgegraben), „Halo“ mit seiner genialischen Zeile „I never felt like this with anyone before / You show me colours and I’m crying“. Sowie natürlich „The Big Hand“, das einfach eine Single hätte werden müssen, im letzten Moment aber vom Album gekippt wurde.

Nun bleibt es zumindest ihre bis heute wichtigste B-Seite. Vielleicht erzählt das Stück und sein kleines Verschwinden auch etwas über die Karriereplanung Smiths. Darüber, welches Image The Cure nach außen würden vertreten wollen. Das Lied über Drogenabhängigkeit lief erstmals als Instrumental im Abspann der Clip-Sammlung „Picture Show “ ein Jahr zuvor, dann als Live-Version mit Gesang in der darauf folgenden VHS-Veröffentlichung „Playout“. Derart viel Vorab-Promo erhielt noch kein Cure-Song. Das „H“ von „Hand“ steht, so mutßmaßen viele Fans, möglicherweise für Heroin.

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So lange alles gut lief, gab es, so Smith in seiner so einfachen wie schönen Sprache, „Fireworks and Heaven“. Erst als „The Big Hand“ dann von der „Wish“-Tracklist verschwand, entstand genug Platz für „Friday I’m In Love“.