The Marriage Of True Minds :: Voll anspruchsvoll: Ein Konzeptalbum zum Thema Telepathie

Auf früheren Alben haben sich Matmos mit Chirurgie oder Ludwig Wittgenstein beschäftigt – nun ist Telepathie das Thema eines Konzeptalbums. Der Kunstlehrer M. C. Schmidt und der Englisch-Professor Drew Daniel haben deshalb in den vergangenen vier Jahren parapsychologische Experimente durchgeführt, die auf dem klassischen Ganzfeld-Experiment basieren. Mit einem kleinen Unterschied: Nicht grafische Muster wurden übertragen und empfangen, sondern „das Konzept des neuen Matmos-Albums“.

Die Augen ihrer Probanden bedeckten die Musiker aus Baltimore dafür mit Binden, die Ohren wurden per Kopfhörer mit weißem Rauschen überschwemmt. Nach den telepathischen Sendungen befragte Drew Daniel vor laufenden Videokameras die freiwilligen Opfer nach den Dingen, die sie während ihres sensorischen Reizentzugs sahen und hörten. Die Aufzeichnungen wurden dann in poetisch konzeptuelle Klangbilder umgesetzt, aus denen Matmos die neun Songs des Albums entwickelten. Wenn einer der Teilnehmer etwas summte, entstand daraus eine Melodie. Optische Eindrücke verwandelten sich in Ideen für Arrangements. Die Beschreibung von Handlungen wurde von den Musikern nachgestellt, die so entstandenen Geräusche führten zu einer Musique Concrète.

Man kann sich also vorstellen, dass Matmos mit „The Marriage of True Minds“ erst da anfangen, wo Animal Collective normalerweise aufhören. Und wenn am Ende des Albums mit „E.S.P.“ eine Buzzcocks-Coverversion auftaucht, ist auch das ein Stück Konzeptkunst, das sich in acht Minuten schält, häutet und wandelt – vom Monstergrunzen über Metal-Mutationen bis hin zum strahlend schönen Meta-Surf-Punk.

Matmos fordern den konzentrierten, absolut offenen Hörer. Die meisten Stücke könnte man als Klang-Collagen bezeichnen – zum Teil von überwältigender Schönheit. Das Abstraktionslevel ist allerdings recht hoch, glücklicherweise bietet das Booklet weiterführende Informationen. Wer Ornette Coleman so schätzt wie Dan Deacon (der hier auch mitwirkt, wie das Arditti String Quartett), sollte sich „The Marriage Of True Minds“ nicht entgehen lassen. (Thrill Jockey/Rough Trade) Jürgen Ziemer

Tryo


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