
Es gibt Menschen, die The Milk Carton Kids unterstellen, jedes Album klinge wie die Verlängerung des vorherigen. „I Only See The Moon“ beweist das Gegenteil. Klar, es ist immer noch ein Duo aus Kalifornien. Das sind immer noch Kenneth Pattengale und Joey Ryan, die mit zwei Gitarren und Stimmen, deren Harmonien wie siamesische Sound-Zwillinge klingen, in den Gehörgang spazieren. Es ist immer noch eine Mischung aus Folk, Country und Americana, die selten spröde ist, und es sind immer noch Lieder, die im Dunstkreis von Simon & Garfunkel schweben, die zwischen Avett Brothers und Kings Of
Convenience Platz nehmen.
The Milk Carton Kids bleiben ein Fixstern am Folk-Himmel
Mit Freundinnen und Freunden ist es ja so: Mal braucht man die, die alterprobt sind. Und manchmal möchte man die experimentierfreudigen um sich haben. The Milk Carton Kids gelingt es auf diesem Album erstmals, beides zu sein: intim und locker, scheu und virtuos, überraschend und altbewährt. Nachdem das Duo auf der letzten Platte, „The Only Ones“, zu seinen minimalistischen Grundlagen zurückkehrte, nähert sich „I Only See The Moon“ wieder der Temperatur des 2018 erschienenen „All The Things That I Did And All The Things That I Didn’t Do“.
Das grammynominierte Album war damals deutlich ausladender produziert, testete Streicher, Tasten und Bläser. Auch auf „I Only See The Moon“ kommen Streicher vor, neu ist aber vor allem das Einflechten von Banjoklängen („When You’re Gone“, „One True Love“). Besonders imposant ist das Titellied: Filmmusik, schwer, tragend und anders als das, was wir von The Milk Carton Kids gewohnt sind. Außerdem stark: die Zungenbrechernummer „Body & Soul“, das melancholische und brüchige „Wheels And Levers“ und der Sechsminüter „North Country Ride“, der mit Blueslinien, Wehmut und Chor überzeugt. Dieses Album wippt wie eine Lampe durch Nächte, in denen ein Herz bricht, in denen man erkennt, was man vermisst und woran man sich erinnern will. Allen zehn Songs, ob feierlich oder filigran, wohnt eine eigene Magie inne. The Milk Carton Kids bleiben ein Fixstern am Folk-Himmel.
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