The Pretty Things – Get The Picture? Emotions/S.F. Sorrow: Laut, launig und hässlich: das britische R&B-Maß aller Dinge :: REPERTOIRE

Der Name war natürlich der blanke Hohn, denn die fünf Musiker der Urformation, die sich nach Bo Diddleys „Pretty Thing“ benannt hatten, waten potthässlich. Sie hatten die längsten Haare der Londoner Szene, und sie spielten ihren R&B so dreckig, dass die Stones neben ihnen wie Chorknaben wirkten. Vbr allem Frontmann Phil May avancierte zum Idol aller Fans der harten Gangart und zum Schrecken sämtlicher Großmütter Englands, denn wenn er seinen „Roadrunner“ herausschrie, dann musste man glauben, der Leibhaftige sei in ihn gefahren.

Im März 1965 erschien das gleichnamige Debütalbum der Pretty Things und stieg auf Platz 6 der UK-Charts. Ein paar Monate später musste dann Drummer Viv Prince seinen Hocker an Skip Alan abtreten – der gute Viv hatte sich zu oft und zu gern geprügelt, und nur Negativschlagzeilen zu machen, konnten sich selbst die Pretty Things nicht leisten. Ihr Debüt ist aber auch heute noch hörenswert und mit sechs Bonustracks, darunter der Hit „Don’t Bring Me Down“, absolut empfehlenswert.

Im Dezember ’65 kam „Get The Picture“ auf den Markt, ähnlich rau und kompromisslos wie das Debüt. Doch trotz einer so famosen Single wie „Buzz The Jerk“ schaffte es diese LP nicht in die UK-Charts; der R&B-Boom war inzwischen merklich abgeflaut. Die Pretties aber machten unbeirrt weiter und konnten im darauffolgenden Jahr mit „Midnight To Six Man“ und „Come See Me“ noch zwei kleinere Hits landen. Diese beiden Singles plus vier weitere krönen als Bonustracks ein Album, das eigentlich britische R&B-Geschichte hätte schreiben müssen, es jedoch leider nicht tat. 4,0

Im Mai 1967 erschien „Emotions“, ein Werk, das bei der Band und deren Fans die Emotionen hochgehen ließ. Weil nämlich der Vertrag der Pretty Things mit ihrer damaligen Plattenfirma Fontana auslief, hatten es sich die Herren in der Chefetage erlaubt, die kantigen Klänge der Band mit einem peinlichen Streichersyrup zuzukleistern zu lassen. Wie sagt das Booklet doch so schön: „The Pretty Things‘ third album has its admirers – but the Pretty Things are not amongst them.“ Welch Glück, dass man hier anhand einiger der elf Bonustracks wenigstens erahnen kann, wie dieses Album eigendich geklungen hätte. 3,0

Ende 1969, inzwischen waren mit dem Keyboarder John Povey und dem Bassisten Wally Allen zwei neue Mitglieder dabei, veröffendichten die Pretty Things ihr wohl ambitioniertestes Werk: „S. F. Sorrow“, die erste Rock-Oper überhaupt. Dieses Album markierte nicht nur den Wechsel der Pretties aus dem R&B- ins Psychedelic-Lager, es brachte auch diverse Kollegen auf Ideen. Darunter z. B. Pete Townshend, der „S. F. Sorrow“ zum Klassiker ernannte und immer wieder gern gestand, dass ihn dieses Werk zu „Tommy“ inspiriert habe. Solch Lob aus berufenem Munde half der Band wenig, und auch die Tatsache, dass der amerikanische ROLLING STONE „Patachute“, die fünfte LP der Pretty Things, im November 1969 zum „Album des Jahres“ kürte, katapultierte diese erstklassige Band leider niemals in die verdiente erste Liga. 4,5

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