The Rolling Stones

„Some Girls“

Eine Rückkehr zu den musikalischen Wurzeln, die der El Mocambo-Mitschnitt vom März 1977 zu signalisieren schien, war wohl nur sentimentale Konzession an die Ian Stewart-Fraktion unter den Rolling Stones-Fans gewesen. Aber zu dem Zeitpunkt hatte Mick Jagger alle Verbindungen zu den Anfängen innerlich gekappt. Bei den endlosen Vergnügungsreisen mit Ahmet Ertegun durch die Nobel-Discos von New York war er zu der Überzeugung gelangt, dass die Band ihre Identität nun gründlich auswechseln müsste. Angesagt war noch mehr „Hot Stuff“, Discotaugliches wie „Miss You“ und Songs, mit denen man alle Spötter, die irgendwas von boring old farts murmelten, gründlich widerlegen könnte.

Was dann auch klappte, als man sich im Oktober in den Pariser Pathe Marconi-Studios zu den Sessions für die nächste LP traf. Besonders erfreut zeigten sich sofort Bill Wyman und Charlie Watts– darüber, dass Jagger als Chef für alle tontechnischen Belange Chris Kimsey verpflichtet hatte. Bei Sessions für „Sticky Fingers“ als blutjunger Anfänger noch Jimmy Millers Gehilfe am Mischpult, hatte sich der mittlerweile einen erstklassigen Ruf als Tonmeister mit Gespür für die fabelhaft klingende rhythm section erworben.

Besser noch als beim Temptations-Klassiker „Ain’t Too Proud To Beg“ zuvor klang Charlie jetzt bei der Cover-Version ihres Ohrwurms „Just My Imagination (Running Away With Me)“, aber auch bei „Beast Of Burden“ oder „When The Whip Comes Down“. Ärger gab’s wie immer. Das mit dem „Black girls want to get fucked all night/ I just don’t have that much jam“ im Titelsong verstand nicht jedermann als satirischen Reflex auf ein rassistisches Klischee.

Diverse Stars ließen entrüstet ihre Porträts vom Cover entfernen. Durch seinen neuerlichen Drogenkonsum war Keith in so miserabler Verfassung, dass eine Mitarbeiterin bei einem späteren „Saturday Night Live“-Auftritt nur lakonisch anmerkte: „Es ist interessant, dort zu stehen und mit jemandem zu arbeiten, der tot ist.“ Keinerlei Zugaben gibt es auf dem schwächelnden „Emotional Rescue“ (***), bei dem der „Down In The Hole“-Blues mit Sugar Blue an der Harmonika immer noch herausragt.

Kimsey mussste es richten, als es an die Arbeit zu „Tattoo You“ (****) ging: Aktuell kein kreativer Schub weit und breit! Deswegen musste er aus den Sessions für „Goats Head Soup“, „Black And Blue“, „Some Girls“ und „Emotional Rescue“ die besten Aufnahmen aussuchen und neu oder fertig mischen. Auch „Start Me Up“, zwischendurch in mehreren embryonalen Fassungen bekanntlich auch mal eine Reggae-Nummer. Kimseys professionelles Sound-Design sorgte dafür, dass kaum jemandem auffiel, dass man es mit alten Aufnahmen zu tun hatte.

„Undercover“
(***) enthält diverse ziemlich paranoide Songs. Der eigentliche Star war Kimsey, der bei „Undercover Of The Night“ zauberte. Von derselben Qualität gab es aber nicht genügend neue Songs. Nachvollziehbar also, dass man hier keine Zugaben findet. Derlei Bonus-Tracks- und seien es die Edits und Remixes von „Sucking In The Seventies“!- hätten den anderen Neuausgaben gut angestanden. (Universal)

Franz Schöler