The Thril Of It All

ROXY MUSIC (1972)

Was für ein Auftakt! „Re-Make/Re-Model“ ist schrill, obszön und zitierfreudig, dabei aber atemberaubend frisch und originell. „Ladytron“ entwickelt eine bizarre Romantik, „Sea Breezes“ geht noch weiter: Mackays Oboe und Enos VCS3-Synthesizer klingen wie weinende Seehundbabys, die sich im Mittelteil zerfleischen. Paul Thompsons Schlagzeug hält nicht nur in „If There Is Something“ die fragile Klanglandschaft zusammen. Wie der Nachfolger ist dieses extrem stilbildende Album genauso sehr Pop-Art wie Rock’n’Roll. Die Single „Virgina Plain“ ist erst auf späteren Fassungen enthalten. (5)

FOR YOUR PLEASURE (1973)

Das letzte Album mit Brian Eno. Auf dem Cover: Amanda Lear als Glam-Queen, im Hintergrund Ferry als Chauffeur. Diesmal hatte die Band mehr Studiozeit zur Verfügung, was man am besseren Sound hört. „Do The Strand“ sowie „Editions Of You“ sind schnelle Uptempo-Stücke, die Punk um Jahre vorwegnehmen. Das treibende „The Bogus Man“ klingt – wie viele Roxy Music-Stücke – selbst heute noch frisch und aktuell. Die brütende Atmosphäre und Spannung von „In Every Dream Home A Heartache“ ist so gewaltig, dass das schweinische Gitarrensolo am Ende wie ein befreiender Orgasmus wirkt. Bassist John Porter wird als „Guest Artiste“ geführt. (5)

STRANDED (1973)

Der ehemalige Curved Air-Violinist und Keyboarder Eddie Jobson ist Enos Nachfolger, das Schrille und Avantgardistische verschwindet langsam aus der Musik. „A Song For Europe“ ist atemberaubend in seiner lebensmüden Schönheit. „Mother Of Pearl“ wirkt dagegen eher elegant und verführerisch. Auf dem Cover räkelt sich wieder eine von Ferrys Gespielinnen, das Playmate Marilyn Cole. Das als Single ausgekoppelte „Streetlife“ klingt fast so exaltiert wie die frühen Songs und erreicht in England die Top Ten. Bassist Johnny Gustafson wird für die nächsten Jahre ein reguläres Mitglied. (4,5)

COUNTRY LIFE (1974)

Ferry träumt von einem Keith Richards in der Band, und ohne Zweifel ist „Country Life“ rockiger als der Vorgänger. Das Highlight „Out Of The Blue“ wurde zu Recht zu einem Live-Hit, „Bitter Sweet“ ist von erlesenem Schwermut, zum Teil dargeboten auf deutsch – es waren Ferrys multilinguale Jahre. „Casanova“ markiert, laut Jon Savage, den Wertewandel zwischen dem verblassenden Glam-Rock und dem bereits zu erahnenden kritischen Optimismus des Punk. Eins der beiden Mädchen auf dem Cover ist die Schwester von Can-Gitarrist Michael Karoli. (4,5)

SIREN (1975)

Wer wollte nicht mitbalzen, wenn Ferry in die Singles Bar zum Gockeln fährt? „Love Is The Drug“ ist purer Sex, weißer Disco-Funk auf die Spitze getrieben. „Sentimental Fool“ badet dagegen in edelstem Selbstmitleid, die Musik dazu ist stimmungsvoll und abenteuerlustig zugleich. „Whirlwind“ klingt genauso wie es heißt und ist einer von zwei Songs auf „Siren“, an denen Phil Manzanera mitgeschrieben hat. „Both Ends Burning“ entwickelt sich schnell zu einem Konzert-Höhepunkt. Die Sirene auf dem Cover ist Jerry Hall, die schon auf dem letzten Album als „Prairie Rose“ besungen wurde. Insgesamt sind die Songs deutlich tanzbarer geworden. (4,5)

VIVA! ROXY MUSIC (1976)

Bei Veröffentlichung musste man wegen der Auflösungsgerüchte glauben, dieses Live-Album sei der endgültige Nachlass von Roxy Music. Gleich drei Konzerte aus den Jahren 1973 bis 1975 wurden ausgewertet, doch der Sound ist durchweg breiig, und die Stücke unterscheiden sich nur wenig von den Studio-Versionen. Insgesamt vier Bassisten kommen zum Einsatz, die glamourösen Backingsängerinnen The Sirens heulen effektvoll im Hintergrund. Dennoch: Für Fans der frühen, wilden Roxy Music nicht uninteressant, spätere Live-Aufnahmen sind deutlich statischer. (3)

MANIFESTO (1979)

Das „Comeback“ nach dreijähriger Pause. Schon das Schaufensterpuppen-Cover zeigt, dass sich etwas geändert hat: Viele Songs sind leicht blutleer und ihrer Zeit nicht mehr so weit voraus. Mehr denn je klingen Roxy Music wie Bryan Ferrys Backing Band. Trotzdem befinden sich vor allem auf der „Eastside“ noch Perlen wie der dunkel schillernde Titelsong und der elegante Ohrwurm „Dance Away“. Zur Band gehören, neben dem Basis-Quartett, hier noch Keyboarder Paul Carrack und Bassist Gary Tibbs. (3)

FLESH & BLOOD (1980)

Da waren’s nur noch drei: Schlagzeuger Paul Thompson wurde mehr oder weniger aus der Band gedrängt. „Flesh & Blood“ ist ohnehin mehr Disco-Pop als Art Rock. Die exzentrischen Klangspielereien sind fast völlig verschwunden, zugunsten eines polierten, ausgesprochen edel anmutenden Yuppie-Sounds. Ein Heer von Studiomusikern verteilt sich über Radio kompatible Hits wie „Oh Yeah“ oder „Same Old Scene“. Natürlich waren das nicht mehr die alten Bogus-Männer, sondern der Bauplan für die Popbands der Achtziger. Ein zuckersüßes „guilty pleasure“, dem man sich gelegentlich doch ganz gerne mal hingibt. (4)

AVALON (1982)

Der kommerzielle Höhepunkt und die Vollendung des Vorgängers. Der Titelsong ist pure Verführung, das Instrumental „India“ frönt schamlos einem kolonialistischen Lebensgefühl. „While My Heart Is Still Beating“ ist auf luxuriöse Weise melancholisch. Man hört den Niedergang, das Auseinanderfallen der Band, die Drogenprobleme. Doch diese Dekadenz ist nur eine weitere köstliche Stimulanz im filigranen Klanggewebe dieses Albums. „Avalon“ ist so glatt wie eine Marmorsäule, inhaltlich fragwürdig, stilistisch aber von allen Epigonen unerreicht. (4,5)

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates