Tim Buckley :: Morning Glory

Vorbildlich: 2-CD-Box mit dem essentiellen Werk des Amerikaners

Dass Jackson Brownes „These Days“ und Tim Buckleys „I’ve Been Out Walking“ (das der nie im Studio aufnahm, ist nur als Live-Mitschnitt auf der Doppel-CD „Dream Letter“ von 1990 zu hören) mit praktisch identischen Versen beginnen und trotzdem als Songs nicht unterschiedlicher sein könnten, hat seine eigene Bewandtnis. Der damals mit der Pop-Ikone Nico – die „These Days“ für ihr Solo-Debüt aufnahm – verbandelte Jackson Browne war eine Zeitlang Gitarrist in Buckleys Band bei dessen Konzerten im Village. Im Gegensatz zu diesem aber ein von Weltschmerz angefressener Jüngling, der sich als loser replays begriff. Als Buckley „I’ve Been Out Walking“ bei einem Konzert in London sang, hatte er seine Folkie-Schuhe eigentlich schon an den Nagel gehängt, um mit „Happy Sad“ und „Blue Afternoon“ eine Gratwanderung zwischen introspektiven Song-Poemen und Jazz-Experimenten zu beginnen, die ihn zur Legende machen sollten.

Dabei war der mit einer einzigartigen Stimme begnadete Sinatra- und Fred-Neil-Fan zunächst alles andere als ein frühvoUendetes Wunderkind. Zunächst stark unter dem Einfluss der Elektra-Bosse Holzman und Rothchild und nicht zuletzt auch unter dem von Arrangeur Jack Nitzsche stehend, dem man getrost manche Produktionsexzesse der ersten beiden LPs ankreiden darf, wandelte sich Buckley ab 1968 zum kompromisslosesten Troubadour seiner Generation.

Allerdings zu einem so waghalsigen, eigenbrötlerischen und restlos von sich überzeugten, dass er selbst seine treuesten Fans in den letzten Jahren seines kurzen Lebens mit den späten LPs mehr als nur ein wenig irritierte und bei Konzerten auch schon mal total verprellte. „Starsailor“ war 1970 ein künstlerischer Triumph, aber im Gegensatz zu den LPs vieler Singer/ Songwriter-Kollegen damals ein so katastrophaler Misserfolg, dass Buckley sich fortan in der Rolle des Rockund Soul-Sängers versuchte. Seine Formschwankungen in diesen Jahren dokumentieren auch die wenigen erhaltenen Rundfunk- und Konzertmitschnitte. Wie da bisweilen ein drogenabhängiges Sangesgenie in Selbstmitleid zerfloss und sich seelisch restlos entblößte, berührt nicht unbedingt angenehm. „Look At The Fool“, seine neunte und letzte Studio-LP, war Buckleys „Soul“-Album: eine Verzweiflungstat, die nur bewies, dass auch sein langjähriger Manager Herb Cohen nicht mehr wusste, wie er die Karriere des Sängers noch in neue Gänge bringen könnte.

Die Rhino-Anthologie präsentiert mit 33 Aufnahmen mehr einen repräsentativen Überblick (sozusagen „Buckley for beginners“) denn den definitiven „Best OP-Digest. Die eine Sammler-Rarität hier ist die 1967 für die TV-Show der Monkees aufgezeichnete Früh-Fassung von „Song To The Siren“, die andere ein Live-Mitschnitt von „I Had A Talk With My Woman“, einem seiner größten Songs überhaupt. Nur handelt es sich dabei offenbar um einen Remix. Diese Aufnahme ist eindeutig nicht identisch mit der kürzeren und klanglich völlig anders ausbalancierten auf „Lorca“.

Aus der späten Phase von Buckleys Schaffen ist wenig enthalten – obwohl doch mindestens die Exzentrik und Manie von „Greetings Front L.A. eine Nachbetrachtung verdienen.

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