Tired Pony

„The Places We Ran From“

Man kann sich nicht helfen: Sobald man bei den ersten Zeilen von „Northwestern Skies“ die Stimme von Gary Lightbody hört, sieht man die verzweifelte Meredith Grey vor sich, wie sie versucht, im „Seattle Grace“-Krankenhaus Menschen zu retten – so eindrücklich war der vom Hit „Chasing Cars“ unterlegte Werbespot zur Fernsehserie „Grey’s Anatomy“. Doch damit tat man schon Lighbodys Band Snow Patrol unrecht, und Tired Pony sollte man auch nicht auf diese leise Verzweiflung reduzieren. Diese Band hat mehr Facetten – was kein Wunder ist bei den Beteiligten: Neben den Snow-Patrol-Assoziierten Tory Stewart und Iain Archer sowie Belle & Sebastian-Schlagzeuger Richard Colburn sind federführend R.E.M.-Gitarrist Peter Buck und Multitalent Scott McCaughey dabei.

„Sehr kraftvoll und gefühlvoll, aber auch sehr freigeistig“, so beschreibt Buck die Sessions, die schließlich zu „The Place We Ran From“ führten. Zooey Deschanel singt wunderbar zart beim melancholischen „Get On The Road“ mit, Tom Smith von den Editors singt bei „The Good Book“. Für alle hier ist dies ein Nebenprojekt, und doch hat man nie das Gefühl, das sich bloß ein paar saturierte Rockstars zusammengefunden haben, um ein bisschen zu spielen. Dafür sind die Melodien zu ausgefeilt, die Songs zu liebevoll arrangiert – man hört das Herzblut in jeder Minute, ob sich Tired Pony zu lichten Gitarrenpop-Wonnen aufschwingen oder sich mit eher fragiler Americana beschäftigen.

In „Dead American Writers“ scheint Lightbody die Sinnlosigkeit ewigen Jammerns zu erkennen: „A broken heart won’t get you far enough/ All beat up wading through the tar and rough.“ Er selbst ist längst ausgetreten aus dem Club der immer nur traurigen Dichter. Das Musizieren macht ihm offensichtlich zu viel Spaß. Bei den Kollegen auch kein Wunder. (Cooperative)

Birgit Fuss