Ultravox :: Brilliant

Die klassische Sythie-Band auf interessanten abseitigen Pfanden

Die Frühphase mit Sänger John Foxx schien verdrängt. Aus. Vorbei. Weg. Der Wind der Geschichte ist hinweg geweht über ihre ersten drei Alben bei Island Records. Der zackige Electro-Punk bis zur US-Tour 1979 und die neonkalten Elektro-Tracks wie „Hiroshima, Mon Amour“ sind jedenfalls keine offiziellen Erinnerungen mehr wert, wenn heuer das „Comeback nach 28 Jahren“ ausgerufen wird. Stattdessen dient die barocke, hundertfach so erfolgreiche Ära unter Midge Ure bis zum 1984er-Studioalbum „Lament“ als Referenz. Und so fragt man sich, ob die vier knorrigen Synthiepop-Altmeister im heimatlichen Studio wirklich an ihre getragenen Hymnen „Vienna“ oder „Dancing With Tears In My Eyes“ andocken wollen. Frisches Futter für das Frühstücksradio?

Nicht wirklich. Ultravox 3.0 experimentieren lieber im heimischen Studio mit allerlei Klangsphären, als wollten sie der Retro-Jugend noch einmal zeigen, wo der Hammer hängt. „Live Again“ etwa beginnt zwar als versöhnlicher Aufmacher, doch schon nach wenigen Takten brettern eine sägende Gitarre und allerlei Störsignale hinein. Ein wuchtiges Spektakel, das sich mit dem Trip-Rhythmus von „Flow“ fortsetzt. Selbst die Single „Brilliant“ mit ihren flächigen Wall of Sounds ist eher ruppig-rockig geraten. Schoko-Crossies-Reklamemusik ist hier jedenfalls nicht das Ziel. Das Instrumental-Stück „Remembering“ gar erzeugt im Wechselspiel von Piano und Synthesizer jene klaustrophobische Stimmung, die Ultravox einst – Produzent Conny Plank saß an den Reglern – zu verkannten Pionieren werden ließ. Und wenn Billie Currie zu „Contact“ für einige Momente die Violine (oder sind es die Emulatoren?) weinen lässt, ist das Level eines hippen Elektronika-Projektes erreicht. Die wilden Männer in Latexhosen sind Vergangenheit, doch der Wille zum Abseitigen ist zurück. Ein trotziges Spätwerk. (EMI) Ralf Niemczyk

Beste Songs: „The Change“, „Contact“

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