US – Boy. October. War.

Auf einer Postkarte, die der Single „Another Day“, beilag, beschrieb der Sänger seine Band so: „Bono says ,I am the singer‘, The Edge says ,I am a great guitarer‘, Larry bangs on drums and Adam is afraid.“ All das konnte man auf dem Lte-Debüt „Boy“ hören, nur Adam Claytons Angst nicht. Schlagzeuger Larry Mullen Jr. gab ihm in den ersten Jahren stets genau den Takt vor und vorsichtshalber noch ein kleines Einsatzzeichen, damit der ungeschulte Bassist es nicht so schwer hatte. „Boy“ beginnt mit dem hymnischen „I Will Follow“, das U2 heute, 28 Jahre später, immer noch gern spielen, doch hatten die Iren damals ihren Stil noch nicht ganz gefunden, Steve Lillywhite produzierte sie im typischen Post-Punk-Sound der Zeit. Man hört schon die dringlichen Gitarren, den unbedingten Willen, auch hebt Bono bereits zur großen Geste an, aber die Themen bleiben eher unbestimmt, manchmal unreif. Die Musiker hatten ihre Pubertät freilich auch gerade erst hinter sich. So schwelgt „A Day Without Me“ in Suizidfantasien, „Out Of Control“ erzählt vom Horror des Alltags.

„Busy being born“ nennt Paul Morley in den Liner Notes die frühen U2, und die Bonus-Tracks (dankenswerterweise auf einer zweiten CD, so dass man das Original-Album auch ohne Zusatz hören kann) bestätigen den Eindruck: Diese Band hatte noch viel vor. The Edge kommentiert die unveröffentlichten oder anders gemischten Songs, die B-Seiten und Live-Tracks mit Scharfsinn und der ihm eigenen Genauigkeit. Die eher schwachen Outtakes „Speed Of Life“ und „Saturday Night“ zeigen, dass U2 schon damals eine gut funktionierende Qualitätskontrolle hatten-wobei sie letzteres später dann doch noch zu „Fire“ umarbeiteten.

„October“ (1981, * * *) präsentiert U2 in ihrer ersten großen Sinnkrise. Das Problem war nicht der große Erwartungsdruck, unter dem viele junge Bands leiden, nein, so schnöde war das hier nicht. U2 fragten sich ernsthaft, ob ihr Glaube mit dem Rockstardasein vereinbar sei, trennten sich sogar kurzzeitig – und stellten dem zweiten Album dann wie zum Trotz die lateinischen Verse von „Gloria“ voran. Die ursprünglichen Songtexte waren während der Amerika-Tour geklaut worden, alle Zeichen standen auf Sturm. Dabei ist „October‘ ‚im Kern kein schlechtes Album, nur ein unvollendetes. Während The Edge seinen Gitarrensound weiter perfektionierte, fand Bono seine Bestimmung: Glaube, Wahrheit, Leidenschaft sind seine Themen, die Stücke heißen „Rejoice“ oder „With A Shout“ und klingen auch so. Am Ende fragt er: „Is That All?“ Für den Moment war es alles, was U2 geben konnten. Auf der „Plattenhülle“, wie man damals sagte, sah die Band desolat aus (und zeigte sich fortan nie mehr so deutlich auf einem Cover), The Edge nennt das Werk „both fascinating and quite embarrassing for all of us“. Und U2 sind ja selten einer Meinung. Weil es in diesen leicht orientierungslosen Monaten kaum einen Überschuss an Songs gab, mussten für die Bonus-CD mussten vor allem Live-Aufnahmen herhalten. Die zeigen immerhin, wie viel Euphorie U2 bereits in jener Zeit erzeugen konnten.

Die ersten Beats von ,War“ (1983, * * * *) läuteten eine neue Zeit ein, wie die ersten Zeilen: „I can’t believe the news today/ I can’t close my eyes and make it go away/ How long, how long must we sing this song?“ Sehr lange, wie sich herausstellte – es war natürlich „Sunday Bloody Sunday“, ein Kampfschrei gegen den täglichen Krieg in Nordirland, eine kleine Revolution. Das Lied begründete Bonos Ruf als Schlaumeier und Gutmensch, war aber auch der Grundstein für die Weltkarriere dieser einzigartigen Band. Keine andere konnte solche Hymnen schreiben und sie so andächtig darbieten.

Mit dem Rücken zur Wand hatten U2 endgültig ihre Identität als Band gefunden. Das Album endet mit Psalm „40“ und dem Versprechen „I will sing/ Sing a new song.“ Die zusätzlichen Stücke sind hier eher zu vernachlässigen, Die verschiedenen Mix-Versionen von „New Year’s Day“ und „Two Hearts Beat As One“ sind ganz interessant, mehr nicht. Bei „Endless Deep“ darf Adam Clayton zum ersten und einzigen Mal in der L’2-Geschichte singen (wenn man es so nennen will). Auch das kann den Eindruck nicht zerstören: „War“ war das erste Meisterwerk von U2, und nach 25 Jahren hat es immer noch nichts von seiner Kraft verloren. Ebenso wenig wie das grimmig dreinblickende Kind auf dem Cover.

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