Verblendung :: Regie: David Fincher
Da fehlt etwas. Das war mein erster Gedanke, als ich vergangenen Monat „Verblendung“, den ersten Film der „Millenium“-Trilogie des verstorbenen schwedischen Autoren Stieg Larsson, das erste Mal sah. Auch beim zweiten Mal war da noch diese Enttäuschung. Wie hätte die auch nicht da sein sollen? David Fincher, Regisseur einer handvoll Filme, die ich verehre, angefangen bei „Fight Club“, „Seven“, „Panic Room“ über „Zodiac“ bis zum meisterhaften „The Social Network“, hatte das Ruder in der Hand. An ihn waren die Erwartungen an eine regelwidrige Umsetzung der Buchstory, rund um die Suche nach einem Serienfrauenmörder, hoch. Und von ihm bekamen wir was? Eine gewissenhafte Adaption, die Verwirrung mit sich bringt, aber sich keinen Wagemut zutraut.
Mit Rooney Mara hat Fincher eine gute Wahl getroffen (sie toppt in unvergesslicher Weise Jesse Eisenbergs Mark Zuckerberg aus der Eröffnungsszene in „The Social Network“). Mara überrascht als Lisbeth Salander, der gepiercten, bisexuellen, tätowierten, zwanzigundeinbisschen-jährigen Hackerin, die sich mit dem Journalisten Mikael Blomkvist (ein eigenartig blasser Daniel Craig) zusammenschließt, um die Familiengeheimnisse des Industriellen Henrik Vanger (Christopher Plummer) zu lüften. Vanger hängt dem Glauben an, seine Großnichte Harriet wäre 40 Jahre zuvor ermordet worden.
Fincher und der Kameramann Jeff Cronenweth fangen die kalte Atmosphäre auf Vangers privater Insel und im widerwärtigen Familienstammbaum aus Nazis, Killern und inzestuösen Perversen gekonnt ein. Anders als in der 2009 erschienen, pikanten, schwedischen Adaption von Niels Arden Oplev, mit einer stürmischen Noomi Rapace als Lisbeth, ist Finchers Girl elegant schmucklos, entsprechend dem Material, das einen kunstvollen Blick anstelle derber Energie verdient.
Finchers Girl startet durch, als hinge Drehbuchautor Steve Zaillian an dem Glauben, dass kein geringerer Charakter es verdient hätte die 2 Stunden und 40 Minuten Spielzeit mit ihr zu teilen. Auch wenn die Schauspieler ihr Bestes geben, besonders Stellan Skarsgard als Bruder der Vermissten Harriet und Joely Richardson als entfremdeter Angehöriger, ist der Film zu zögerlich, er schert nie aus. Nur Maras zurückhaltende Performance, die an ein verwundetes Tier erinnert, zieht einen unaufhaltsam in den Film hinein. Lisbeth ist eine Jägerin auf der Jagd nach männlichen Sextätern, und die Vergewaltigungsszene durch ihren Vormund (Yorick van Wageningen) ist berechtigterweise drastisch dargestellt.
Aber was zieht sie zu Mikael? Craigs distanzierte, selbstvergüngliche Darbietung lässt keine Schlüsse zu. Der Filmschnitt (Kirk Baxter und Angus Wall) zeichnet sich mit Querhieben zwischen Lisbeth und Mikael aus, die den Fall getrennt und mit orgastischem Genuss ermitteln. Aber als die beiden in Mikaels Kammer Sex haben (Lisbeth strippt um ihn rumzukriegen), springt der erwartete Funke – sexuell und seelisch – nicht über. Die klimpernde Filmmusik von Trent Reznor und Atticus Ross, die sich entlang einer vielversprechenden Eröffnungsszene mit Reznor und Karen Os Umarbeitung von Led Zepplins „Immigrant Song“ erstreckt, entfacht ein Feuer, das der Film versäumt weiter anzuheizen. Auch das modifizierte Ende bringt keinen Anstoß. Finchers Girl ist prächtig wiedergegeben, aber zu gesichtslos, um Spuren zu hinterlassen.