VINYL
Charlie Parker Charlie Parker With Strings ****
Man musste Bird nicht zu diesen Aufnahmen nötigen, er selbst hatte verschiedentlich den Wunsch geäußert, auch mal im disziplinierenden Kontext rigider Arrangements zu spielen, im Rücken eine größere Band, ein kleines Orchester. Dennoch waren diese Sessions musikalische Manöver mit klar definierten kommerziellen Zielen, daran ließ Produzent Norman Granz keine Zweifel aufkommen. Jazz sei ja eine noch junge Kunstform, schrieb er 1950, und obwohl viele Musiker Charlie Parkers Genie erkannt hätten, sei das Publikum noch „slow in its acceptance of it“. Eine Untertreibung, denn die Revolution namens Bebop, deren maßgeblicher Rädelsführer Parker war, löste in der Jazz-Szene heftige Kontroversen aus und wirkte auf das größere Publikum befremdend. Granz sah Handlungsbedarf, setzte auf Versöhnung und brachte dafür vielfach bewährte Standards an den Start, die konservativ arrangiert wurden. „Parker plays the melody very closely“, freut er sich in seinen Liner Notes, „and it’s good that he does.“ Zwei Aufnahme-Sessions fanden statt, im November 1949 und im Juli 1950, die seinerzeit auf zwei 10inch-Alben veröffentlicht wurden. Mit so enormem Erfolg, dass die Jazz-mit-Streichern-Idee etliche Nachahmer fand, von Clifford Brown bis Billie Holiday. Dies ist eine Compilation aus zwölf Tracks beider Sessions, die aus heutiger Sicht schon ein wenig traurig stimmen, weil sich Bird hier domestizieren ließ und im Orchesterkäfig nicht fliegen durfte, nur ein wenig anmutig flattern. (Verve/Universal)
Dan Penn The Fame Recordings ****
Wer meint, Southern Soul habe schwarz zu sein, hat nicht viel begriffen von den vielfältig verschlungenen kulturellen Evolutionslinien im Bible Belt. Wie es jüdische Einwanderer aus Europa waren, die dem entwurzelten Blues in Chicago Ende der Vierziger auf die Beine halfen, war auch die Hautfarbe von Entrepreneuren und Musikern in den berühmten Soul-Schmieden der Sechziger oft weiß. Dan Penn war zudem blond, was ihn nicht hinderte, Soul-Klassiker zu schreiben, die von Aretha Franklin, James Carr, Otis Redding oder Percy Sledge in die Charts gesungen wurden. Penn selbst war solch messbarer Erfolg nicht vergönnt, obschon seine Stimme durchaus den Weg unter die Haut des Hörers kannte. Gesanglich geschult an schwarzen Vorbildern sowie nicht zuletzt an Elvis Presley, entwickelte der blutjunge Soul-Adept in den Fame-Studios von Muscle Shoals einen eigenen, Country-informierten Stil, mithilfe gleichaltriger, vornehmlich weißer Mavericks wie Spooner Oldham und Donnie Fritts. (Ace)
Sandie Shaw Reviewing The Situation ***1/2
Die Dekade neigte sich ihrem Ende zu, Sandie Shaw fand die Zeit für gekommen, der Welt zu zeigen, dass sie mehr war als diese barfüßige Sängerin von Lappalien wie „Puppet On A String“ und „Monsieur Dupont“. Sie hatte Ambitionen, fühlte sich einer Popkultur verbunden, deren Protagonisten freilich auf sie herabsahen. Mit ihrer TV-Serie „The Sandie Shaw Supplement“ und dem daraus resultierenden gleichnamigen Album hatte sie bereits 1968 die Richtung angedeutet, in die sie sich zu bewegen gedachte, mit eher halbherzigen Versionen von „Satisfaction“ oder „Homeward Bound“ allerdings. Es sei die Produzentin Evelyn Taylor gewesen, sagte Shaw später, die sie bei der musikalischen Selbstverwirklichung ausgebremst habe, weshalb sie für die nachfolgende LP selbst im Produzentenstuhl Platz nahm. Und tatsächlich ist „Reviewing The Situation“ mindestens mutig zu nennen. Zwar zielt Sandie mit „Sympathy For The Devil“ zu hoch, die Rolle der Teufelin steht ihr nicht, doch legt sie ein laszives „Lay Lady Lay“ hin. Kommerziell ein Flop, künstlerisch ein Achtungserfolg. (Salvo/Music On Vinyl)
Roger McGuinn Roger McGuinn ****
Man tut Roger McGuinn gewiss nicht Unrecht, bezeichnet man ihn als egozentrisch. Er schien sich immer selbst im Weg zu sein, was ihn nicht gerade zum Teamplayer prädestinierte. Doch trotz all der Egotrips im Byrds-Lager hielt McGuinn die Band zusammen, war die Konstante inmitten stilistischer Kursänderungen und personeller Fluktuation. Nach dem Split führten McGuinns Soloplatten die Byrds-Tradition in gewisser Weise fort, denn es war McGuinns Stimme und seine 12-String-Rickenbacker, die den Sound der Gruppe lange geprägt hatten. Auf seiner ersten Solo-LP tun zwar mit den Herren Hillman, Clarke und Crosby auch Ex-Byrds mit, daneben aber eine Reihe anderer Hochkaräter wie Buddy Emmons, Bob Dylan oder Spooner Oldham. „Now I’m through taking orders and all of their guff“, begrüßt der Solist die ungewohnte Autonomie in „Bag Full Of Money“ und reimt darauf: „Gonna buy me a Rolls Royce and some luxury stuff“. Daraus wurde nichts, „Roger McGuinn“ spielte nicht einmal die Kosten ein. (Columbia/MOV)
Shuggie Otis Inspiration Information ***
Ein bisschen Soul, ein bisschen Funk, ein bisschen Blues und ein paar Sprengsel Psychedelia: „Inspiration Information“ steht hoch im Kurs bei Sample-Profis und Chill-out-Amateuren. Johnny Otis‘ Sohn hatte sich 1974 mit seinem dritten und letzten Epic-Album vom Papa emanzipiert und mittels vertrackter Grooves aus Rhythmus-Maschinen und trippiger Soundmalerei eine Klanglandschaft kreiert, die damals unerhört war und lange weitgehend ungehört blieb. Erst in den letzten 20 Jahren fand Shuggies subtiles Spiel mit zurückgelehnten Beats Freunde in so großer Zahl, dass sich Wiederveröffentlichungen lohnen. (Epic/MOV)
Elvis Costello Spike ***
Auf Elvis, den zornigen jungen Mann, folgte Ende der 80er-Jahre Elvis, der zornige ältere Mann. Bloß, dass sich seine Wut nun primär am Frust entzündete, nicht hinreichend gewürdigt zu werden. „The Beloved Entertainer“ hat er selbstironisch aufs Cover geschraubt, darüber grimassiert er gequält. So sind zumeist auch die Songs: ironisch-verquält. Anders als den überragenden Vorläufer-Alben mangelt es „Spike“ an Kohärenz und Klasse, darüber können auch die paar gewohnt sardonischen Abrechnungen wie „Tramp The Dirt Down“ oder die Randy-Newman-Pastiche „God’s Comic“ nicht hinwegtäuschen. Mit Macca schrieb er „Veronica“, nun ja. (Warner/MOV)