VINYL :: REPLAYS

Jimmie Rodgers Jimmie Rodgers ****1/2

Die Bewertung steht wie immer für die Musik, deren Strahlkraft und stilgeschichtliche Bedeutung gar nicht überschätzt werden kann. Diese Edition, erschienen in der Reihe „The Rough Guide To Country Legends“ ist -wie auch die parallel veröffentlichten Guides zu Blues-und Jazz-Legenden aus demselben Haus -freilich unbefriedigend. Zwar gelang es mittels „pioneering restoration techniques“, so das Label stolz, ein Klangbild weitgehend ohne Rauschen zu erzeugen, doch zu einem hohen Preis. Nun klingen die bahnbrechenden Hillbilly-Jodler des Eisenbahners aus Mississippi, aufgenommen zwischen 1927 und 1933, als wären sie Jahrzehnte später entstanden. CD-konditionierten Hörern dürfte das ebenso entgegenkommen wie die beigelegten MP3-Gutscheine, mit denen sich noch eine Vielzahl weiterer Tracks herunterladen lässt. Wer „Blue Yodel #1“ aka „T For Texas“ oder „In The Jailhouse Now“ authentischer hören möchte, sollte sich indes „My Rough And Rowdy Ways“ besorgen, eine von der Jimmie Rodgers Society autorisierte Compilation, die erstmals 1960 auf RCA erschien und jahrelang vorrätig gehalten wurde. Dann allerdings begann man auch bei RCA Schindluder mit dem anvertrauten Kulturerbe zu treiben, wovon Cover-Mitteilungen wie „stereo effect reprocessed from monophonic“ beredt Zeugnis ablegen. (World Music Network)

The Beatles The Decca Tapes **1/2

Dass man sich bei Decca schon bald die Haare raufte, nachdem man in den Beatles aufgrund dieser Aufnahmen nichts Besonderes erkannt hatte und stattdessen lieber Brian Poole &The Tremeloes unter Vertrag nahm, ist sattsam bekannt und gilt neben dem Verhökern von Elvis für ein paar Dollar als dümmstes Eigentor einer Plattenfirma überhaupt. Hinterher ist man freilich immer klüger, und nüchtern betrachtet bietet das Audition-Tape, aufgenommen im Januar 1962, tatsächlich nichts, das auf Genie schließen ließe. Es sind freundlich gestimmte, recht schüchterne Versionen gängiger Hits sowie drei Eigenkompositionen ohne Eigenleben. Keines der Covers fügt dem Original etwas hinzu außer burschikosen Charme, ein paar der gewählten Songs wie „Besame Mucho“ oder „September In The Rain“ zeugen gar von Gestrigkeit. Einzig George Harrisons flott gesungene Version von „Three Cool Cats“ hat etwas, obschon abermals nichts Eigenes. In der TV-Show „Oh Boy!“ hatten Cliff Richard, Marty Wilde und Dickie Pride die Coasters-Flipside aus der Feder von Leiber/Stoller bereits 1959 genau so interpretiert. Dem Decca-Scout kann solches Nachzüglertum kaum entgangen sein, da hat er halt abgewinkt, der arme Kerl. Ordentliche 180-g-Pressung, klanglich indes dünn.(Doxy)

Nina Simone Silk & Soul ***

Es hatte zuweilen etwas leicht Überhebliches, wenn sich Nina Simone in die Niederungen des Pop begab. Nicht so sehr im musikalischen Ausdruck, da neigte sie zu Überkompensation und leicht überzogener, Jazz-geschulter Expressivität, sondern in Interviews. Ihre klassische Musikausbildung, so ließ sie gelegentlich durchblicken, sei ihr eher im Weg, wenn es um simpel gestricktes Material gehe. Was sie nicht hinderte, erfolgsträchtige Alben wie das programmatisch betitelte „Silk &Soul“ aufzunehmen und für „Go To Hell“ eine Grammy-Nominierung einzuheimsen, auch wenn der Preis an Aretha Franklin ging, das nur nebenbei. Natürlich hat Nina Simones 67er-LP auch Meriten, nur liegen sie nicht in der Verschmelzung von Stimme und Song. Vieles scheint projiziert, hingebogen ohne Hingabe. „Turning Point“ steht diese innere Distanz, andere Songs verlangen nach mehr als einer Drama-Queen. Klanglich und haptisch lässt diese Edition jedoch keine Wünsche offen: exzellentes Remastering von analogen Quellen, Doppel-LP, 45 rpm, hervorragende Pressung, laminiertes Foldout-Cover, limitiert auf 2.500 Exemplare. Luxus, der seinen Preis hat: rund 50 Euro.(ORG/RCA)

Randy Newman Sail Away *****

In Zeiten weltanschaulicher und kultureller Rosinenpickerei mag schwer vermittelbar sein, welche Wirkung Randy Newmans Songs vor gut 40 Jahren nicht nur auf Sinnsuchende hatten. Hier wurde nichts kontemplativ erwogen oder metaphorisch verschleiert, hier wurde nicht geheuchelt, nicht gelogen. Newman hielt sich nicht mit Romantik und Esoterik auf, seine Wahrhaftigkeit war die des Verstands. Ob er Sklaven nach Amerika lockt, die Welt mittels Atombombe eingemeindet oder mit dem Zyniker Gott über dessen totales Versagen parliert, stets trifft sein Hohn die Selbstsüchtigen, die Selbstgerechten, die Selbstanbeter. Und so sardonisch Newmans Humor ist, so stupend die Arrangements, so unauslöschlich prägt seine „parade of grotesques“, wie die Liner Notes nicht zu viel versprechen. (Music On Vinyl)

America Homecoming ***1/2

Die Debüt-LP wucherte mit dem Pferd ohne Namen und mit „Sandman“, dem besten Song des Trios, doch lag die Instrumentation allzu sehr im Semi-Akustischen und war damit in der Ära des Country-Rock, so mutmaßte man im America-Camp, auf Dauer nicht konkurrenzfähig. Schlagzeuger Hal Blaine und Bassist Joe Osborne wurden für die Nachfolge-LP rekrutiert, dem Sound wuchsen Muskeln und vom Mehr an Kraftentfaltung profitierten tatsächlich einige Cuts, insbesondere das spannungsreich inszenierte „Cornwall Blank“. Ein Reissue der dritten America-LP titels „Hat Trick“ wäre durchaus noch wünschenswert, danach wurde es läppisch. (Music On Vinyl/Warner)

Johnny Cash Rockabilly Blues ****

Es ist leider wahr, dass Johnny Cashs Platten zwischen seinem „San Quentin“-Triumph und dem sensationellen Comeback mit Rick Rubins „American Recordings“ wenig überzeugend waren. Mit Ausnahme von „Rockabilly Blues“, das 1980 für Aufsehen sorgte, weil Cash lange nichts Rockabilly-Anständiges mehr offeriert hatte, weil er bei guter, fester Stimme war, weil die Songs unter anderem von Billy Joe Shaver, Steve Goodman und John Prine sich seiner würdig erwiesen, und weil schließlich sein Schwiegersohn Nick Lowe ungewohnt britisches Flair einbrachte, gemeinsam mit Dave Edmunds auf dem Standout-Track „Without Love“. Ein Zwischenhoch nur, leider. (Yep Roc)

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