Warren Zevon, Elvis Presley

Warren Zevon

Reconsider Me-The Love Songs

Elvis Presley Love, Elvis

Zwei sehr verschiedene Sammlungen mit Liebesgrüßen Es ist ein putziger, aber auch rührender Einfall, das Schaffen von Warren Zevon ausgerechnet auf Liebeslieder zu reduzieren. Zwölf Stücke dieser Provenienz sind auf der Anthologie enthalten, vier stammen von Zevons letztem Album, „The Wind“. Und „Reconsider Me“, das Lied von „Sentimental Hygiene“, das der Sammlung den Titel gibt, fehlt hier. Kitschiger als Zevons Lyrik noch in den sentimentalsten Momenten ist die Cover-Abbildung, die eine Rose nebst Sonnenbrille zeigt, ähnlich dümmlich und peinlich wie Yoko Onos „Seasons Of Glass“. Wahrscheinlich ist es nicht einmal Zevons Brille.

Kurzum, der Spötter hätte sich über dieses Programm gallig lustig gemacht. Wenn Artemis und Rykodisc so fortfahren, wird es bald eine Platte mit Zevons Liedern über den Tod, eine über den Umgang mit Waffen und eine mit merkwürdigen, soziopathischen und sonstwie irren Figuren geben. „Love/God/ Murder“ könnte eine Compilation mit Zevon-Songs heißen, wie jene Auswahl von Johnny-Cash-Weisen. Das trifft freilich auf das Werk der meisten amerikanischen Songschreiber zu. Zevon galt ja, bis zu seiner Todeskrankheit, als Zyniker, als Berserker, als „Peckinpah des Rock’n’Roll“. Doch schon 1992 sah man ihn als fahrenden Musiker, der allein Konzerte gab und Fusel und Drogen erkennbar aufgegeben hatte. Zu spät.

Es ist leider wahr, daß die späten Songs den Furor und den Witz von Zevons früheren Arbeiten nicht mehr erreichten. Aber „My Ride’s Here“ (kein Liebeslied!), das Springsteen nachspielte, war noch einmal von tröstlicher Flapsigkeit, während die gefühligen Kompositionen schwer und starr wurden, wie Klöße im Hals.

Neben den naturgemäß bewegenden Balladen, die Zevon im Jahr seines Todes schrieb, gibt es die frühen Songs „Tenderness On The Block“ und „Accidentally Like A Martyr“, es fehlen die Virgin-Jahre, dann kommt „Searching For A Heart“ (weder „Suzie Lightning“, noch „Angel Dressed In Black“!) von 1991, und schon ist das Spätwerk erreicht: „Hostage-O“, „I’ll Slow You Down“ und Steve Winwoods „Back In The High Life“ vom sozusagen prophetischen „Life’ll Kill Ya“ (2000), Serge Gainsbourgs „Laissez-Moi Tranquille“ und der irische Folk-Stomper „Macgillycuddy’s Reeks“ von „My Ride’s Here“ (2002), und das war es auch schon. Abgesehen davon, daß jungen Menschen ein geklittertes Bild von Warren Zevon vermittelt wird, scheitert das Album auch inhärent: So bittere Liebeslieder wie „Hasten Down The Wind“, „The French Inhaler“ und „Carmelita“ von Zevons erster Platte sind ganz und gar unverzichtbar, ebenso „The Heartache“. Und selbst das gruselige „Excitable Boy“ ist natürlich ein Lied über die Liebe und die Traurigkeit im Herzen aller Dinge.

Aber schön, daß Warren Zevon dieselbe Behandlung erfährt wie Elvis Presley, der seine Liebeslieder freilich nicht selbst schrieb. Schmachtfetzen wie „Are You Lonesome Tonight?“, „I Can’t Help Falling In Love With You“ und „It’s Now Or Never“ erfreuen sich ja ebenso großer Beliebtheit wie das unverwüstliche „Love Me Tender“, und auch die weniger bekannten Schnulzen bringen Steine zum Weinen. Bei der Rezitation von „Are You Lonesome?“ („I loved you at first glance“) klingt Presley wie Bill Clinton bei seiner Lewinsky-Ansprache. Selbstverständlich schreckte er vor dem Banalsten nicht zurück („Hawaiian Wedding Song“), und am Ende kann man die Lohnarbeit schwer von den wenigen inspirierten Momenten unterscheiden. Daß „Always On My Mind“ zu Elvis‘ großen Leistungen zählt, wurde unserer Generation durch die Pet Shop Boys vermittelt.

Falls jemand – wie ich – auf die unwahrscheinliche Idee kommt, diese beiden Liebesarbeiten hintereinander zu hören: bitteschön zunächst den Sänger, der nicht schreiben konnte, dann den Dichter, der nicht singen konnte, aber einige lakonische Einsichten hatte: „That’s the trouble with relationships, they end too soon.“ (Ryko bzw. Sony BMG)

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