Wednesday
„Bleeds“ – Brutal schön
Secretly/Cargo (VÖ: 19.9.)
Hochmelodische, zornige Rocksongs mit Slacker-Pose.
Seit der Veröffentlichung von „Rat Saw God“ im Jahr 2023 liegen der Band aus North Carolina junge Menschen mit einem Fimmel für krakelige Tattoos und alternative Rockmusik zu Füßen. 2024 ließ Gitarrist MJ Lenderman das großartige, an Stephen Malkmus und Jason Molina erinnernde Solowerk „Manning Fireworks“ folgen. Wednesday ist vor allem das Baby von Sängerin Karly Hartzman. Aber ein bisschen teilt sie sich das Sorgerecht mit Lenderman.
Bessere Rocksongs findet man in den USA gerade nicht. Und auch sonst nirgends.
Vor den Aufnahmen zu „Bleeds“ haben die beiden den romantischen Teil ihrer Beziehung beendet, so heißt es. Angeblich um die Chemie innerhalb der Gruppe nicht zu gefährden. Auf dem neuen Album wähnen sich Wednesday angekommen in ihrem ureigenen Sound aus beschädigten Americana-Balladen, College-Pop-reifen Hooklines und wonnevollen Grunge-Breitseiten. Doch ohne Breeders, Hole, Dinosaur Jr., Sleater-Kinney und Rilo Kiley wäre „Bleeds“ allenfalls das Hirngespinst von ein paar orientierungslosen Nerds, die im Indie-Lexikon über die Wörter „Noise“, „Slacker“ und „Shoegaze“ gestolpert sind.
Hartzman beobachtet die alltäglichen Absurditäten und verbindet sie mit den Angelegenheiten des Herzens zu herrlich freidrehenden Hymnen, die melodisch nur selten von der Zeitgeist-Stange sind. „Townies“, „Wound Up Here (By Holdin On)“ und „Candy Breath“ wollen gar nicht aufhören, sich in voll aufgerissenen Verstärkern zu baden. Ein bisschen Lärm für die Hardcore Crowd („Wasp“) gibt’s natürlich auch. Und laid-back wie Courtney Barnett („Bitter Everyday“) können Wednesday auch. Die musikalischen Gebilde von „Bleeds“ wirken so wütend und weggetreten, so gewalttätig und sediert, so schön und brutal, so poetisch und banal wie das Land, auf dem sie errichtet wurden. Bessere Rocksongs findet man in den USA gerade nicht. Und auch sonst nirgends.
Diese Review erschien zuerst im Rolling Stone Magazin 9/2025.