Will Oldham – Guarapero/Lost Blues Vol. 2 :: Zweite Lieferung mit verstreuten Aufnahmen aus den letzfen Jahren
Mit Will Oldhams Biographie geht es voran: geheiratet, Vater geworden – ob im Zuge dieser Entwicklung auch schon der Hausbau anvisiert wird, war bei Redaktionsschluss nicht bekannt. Sicher wäre die Vorstellung, Oldham gäbe als Bauherr letzte Anweisungen zum Grundriss des Kinderzimmers, erst einmal gewöhnungsbedürftig. Andererseits: das Kinderzimmer! Wahrscheinlich würde er dort selbst einziehen.
Und, da wir schon davon reden: Die Platte klingt über weite Strecken, als sei sie morgens um vier in der Küche aufgenommen worden. „Home Alone 2“, Hausmusik eines Kommunikationsasketen, rauschend, schnarrend und fröhlich wie ein Gesellschaftsspiel, das man gegen sich selbst spielt. Die Auswahl: Verstreutes, Marginales, Stücke, die noch irgendwo herumlagen. Die Publikation dieser Bänder ist eine gute Tat an den treuen Sammlern: Sie können neben „Lost Blues 1“, das vor einigen Jahren erschien, nun dieses Album ins Regal stellen.
Vielleicht der Höhepunkt: die Live-Aufnahme „Stable Will“. Für sie gilt der merkwürdige Satz, hier gehe jemand aus sich heraus. Kommt er zurück? Man sieht Will Oldham vor sich auf der Bühne, emphatisch quengelnd, mit ausgebeulter Hose. Glücklich, die dabeigewesen sind. Geht man die Sache eher wissenschaftlich an, dann kann dieses Album auch als Fußnotensammlung zu Person und Werk dienen. Oldhams reguläre Alben, vor allem ^irise Therefore“, waren trotz aller scheinbaren Zerstreutheit doch als große Würfe gedacht, als Entwürfe und Welten für sich.
„Lost Blues 2“ scheint diese Hauptwerke eher kommentieren als fortsetzen zu wollen. Da gibt es Hinweise auf die Traditionslinien, die Oldham weiterzieht: „Gezundheit“ zum Beispiel. Der schöne deutsche Titel lenkt nur ab von der Dylan-Paraphrase: Statt „I dreamt I saw St. Augustine“ heißt es bei Oldham: „I dreamt I saw Phil Ochs last night, alive as you or me.“ Es folgt ein kurzer, schöner Dialog zwischen Phil und Will. Auch der sich mit Johnny Ace befassende Song,,Let The Wires Ring“ und die Achtziger-Post-Punk-Hommage , ,For The Mekons Et Al“ zeigt unseren Drifter in der Zwiesprache mit großen Geistern der Vergangenheit. Der Auftrag ist klar, die Fackel muss weitergetragen werden, das Erbe verwaltet. Und Oldhams Zeit hat möglicherweise gerade erst begonnen. Ich sage nur: Willennium!