Richard Thompson: Splendid Isolation

Auf seiner neuem Album sucht der meisterliche Richard Thompson die einsame Auseinandersetzung mit dem Song

„Die hat überhaupt keine Ahnung gehabt, wer ich bin“, erinnert sich Richard Thompson, der neulich die Hand der Queen schütteln durfte, als Vertreter des britischen Rock-Business im Buckingham Palast empfangen wurden. Die Bildungslücke verzeiht er Ihrer Majestät aber gerne: „Da waren ja auch Leute wie Eric Clapton, Jimmy Page, Brian May oder Jeff Beck. Die hat sie ja alle auch nicht gekannt“, sagt er mit gewohnt trockenem Sarkasmus und fühlt sich dabei in guter Gesellschaft.

Richard Thompson ist aber sowieso einer, der es gewöhnt ist, daß nicht nur die Queen seine Bedeutung für den britischen Folk-Rock unterschätzt. Und obwohl er seit fast vier Jahrzehnten nicht müde wird, in seinen Songs ständig neue frustrierende Einblicke in die unschönen Dinge zu geben, die die Liebe einem antut, muß er nicht lange nachdenken, wenn man ihn fragt, was ihn öfter enttäuscht hat – die Liebe oder die Musikindustrie. „Das Musikbusiness ist schlimmer“, sagt der 55jährige, der mittlerweile in Kalifornien lebt.

Wie er das meint, verrät uns der Song „Row, Boys, Row“ auf Thompsons neuen Album „Front Parlour Ballads“, in dem er sich als Galeerensträfling porträtiert, der dazu verdammt ist, ein altes Schiff auf Kurs zu bringen: „Seven years of bad luck/ Should have read the small print“, klagt Thompson, der bei Capitol einen Vertrag über sechs Alben hatte – sechs Platten, die sämtlich wunderbar gelangen. Als er den Vertrag erfüllt hatte, brachte er sich beim kleinen Label Cooking Vinyl in Sicherheit. „Is it wise to be bleeding in a shark-filled sea?“ singt er jetzt rückblickend. Im Gespräch geht Thompson dann aber doch ein bißchen gnädiger mit den großen Plattenfirmen um: „Es gibt da auch immer Leute, die du wirklich magst: Leute wie Chris Blackwell, damals bei Island Records, Leute in den A&R-Abteilungen – Leute, die Musik lieben. Aber dann gibt es dort auch Typen, die man nie zu Gesicht bekommt, die in der Rechtsabteilung und im Rechnungswesen arbeiten – und denen geht es nur um den Profit.“

„Front Parlour Ballads“, sein zweites Album für Cooking Vinyl, hat er jedenfalls nicht darum daheim in der Garage aufgenommen, weil er sich kein Studio leisten konnte, sondern weil er diesmal fast alle Instrumente selbst eingespielt hat: „Wenn man ohne Band in ein großes Studio geht, fühlt man sich ziemlich allein gelassen“, sagt er, „deshalb wollte ich mal was anderes ausprobieren. Und ich habe festgestellt, daß das zu Hause richtig Spaß macht.“ Außerdem hat er sich, um zwischen den eigenen Song-Ideen nicht zu vereinsamen, als eine Art öffentlicher Musiklehrer betätigt. Bei seinen „1000 Years Of Popular Music“-Shows, die irgendwann mal auf DVD veröffentlicht werden sollen, konfrontiert er in akustischen Versionen Lieder wie das aus dem 13. Jahrhundert stammende Fragment „Marry, Ageyn Hic Hev Donne Yt“ mit Songs wie „It Won’t Be Long“ von den Beatles und versucht sich auch an der Ehrenrettung von in Ungnade gefallenen Nummern wie Britney Spears‘ „Oops! I Did It Again“: „Wenn man Britney Spears hört, denkt man zwar, daß der Song bloß der übliche Müll ist. Aber wer genau hinhört, merkt, daß der richtig gut ist.“ Das hatten Vorjahren auch Travis bemerkt, die bei Konzerten ebenfalls eine gefällige Version spielten. Bei Thompson bekommt auch dieses Stück den charakteristischen Drall aus Folk-Verbindlichkeit und bedrohlicher Galle. Wie mancher Virtuose läßt er gut gemachtes Handwerk gelten.

So viel Milde wundert bei einem Mann, auf dessen Folk-Rock-Reperoire Bitterkeit zentnerschwer zu lasten pflegt. „Ich kann zwar ab und zu zynisch sein, bin aber doch eigentlich ein ziemlich optimistischer Mensch“, sagt er und erklärt, daß er nicht Songschreiber Thompson: die Gabe der Beobachtung, der messerscharfen Formulierung glaubt, daß man wütend, frustriert oder traurig sein muß, um gute Songs zu schreiben: „Nicht der, der das beschissenste Leben führt, schreibt die besten Songs, sondern der, der am talentiertesten ist.“ Die Gabe der präzisen Beobachtung wie der messerscharfen Formulierung hat kaum ein anderer Songschreiber (neben Dylan und Newman). Und wer es wagt, zu behaupten, die letzte Tournee, die er mit seiner damaligen Frau Linda Thompson im Jahr 1982 machte, als die Ehe schon kaputt war, sei ihre beste gewesen, der wird von Thompson korrigiert: „Die beste Tour war das garantiert nicht. Nur die intensivste.“

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