Rio Reiser – Junimond

Was tut der Anführer der Aufmüpfigen, das musikalische Sprachrohr der Linksbewegung mit 200.000 Mark Schulden? Große Songs aufnehmen, das tut er. Nach dem Ende von Ton Steine Scherben fegt Rio Reiser poptaugliche Scherben-Reste zusammen und fabriziert mit den beiden Produzenten Annette Humpe (die Rio auch den Kontakt zu seinem späteren Manager George Glueck vermittelt) und Udo Arndt (u. a. Nena, Stephan Remmler, Ton Steine Scherben) das Soloalbum „Rio I.“ Eingefleischte Fans beklagen den Ausverkauf an die Neue Deutsche Welle, und tatsächlich sind Rios Schulden allein mit den beiden Singles „König von Deutschland“ und „Junimond“ innerhalb kurzer Zeit getilgt. Für den Künstler Reiser markiert dies einen maßgeblichen Wendepunkt vom Widerständler zum Systembegünstigten: Er veröffentlicht fünf weitere Studioalben, steuert Songs zum „Tatort“ bei und komponiert beispielsweise für Marianne Rosenberg. Und auch für andere ist Rios Veränderung von unschätzbarem Wert: Seine Art zu singen, der Trotz in seiner Stimme, das Verlebte und Fertige geben insbesondere „Junimond“ Echtheit, Profil und Romantik. Natürlich wird der Song später gecovert – u. a. von den Prinzen und Echt – aber Rios Stimme, sein ganz eigener Gesangsstil und sein eigentümlicher Umgang mit der deutschen Sprache sind das, was 23 Jahre nach dem Erscheinen seines wohl schönsten Liedes und 13 Jahre nach seinem Tod weiterlebt. Noch heute beruft sich die Auslese des hiesigen Pop auf seine Vorlage – darunter Jan Delay, Wir sind Helden und Freundeskreis – und selbst bei wesentlich rockigeren Acts wie Madsen schwingt stets eine Rio-Frequenz mit.

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