Rollingstone.de trifft: MIT im Interview

Die junge Band kraftwerkelt weiter am Entwurf elektronischer Popmusik - ein Wortspiel, das sich anbietet, denn Ex-Kraftwerk-Mitglied Emil Schult stand beim zweiten Album beratend zur Seite.

MIT – ein junges Trio bestehend aus Soundbastler Tamer F. Özgönenc (Foto links), Sänger Edi D. Winarni (Foto rechts) und Drummer Felix S. Römer (Mitte) – sind musikalisch einen weiten Weg gegangen, obwohl sie sich gerade mal in den frühen Zwanzigern befinden. Wenn man sich nun ihr zweites Album „Nanonotes“ anhört und sich in den hypnotisch-minimalistischen Songs verläuft, während Edi Winarni assoziative Lyrics summt und singt, glaubt man gar nicht, dass man noch 2008, nach einem Konzert im Kölner Gebäude 9, selbst auf der Website eines Kölner Musikmagazins schrieb: „Erst mal das Vorprogramm mit Mit. So heißen die Jungs aus Köln, die hier einen herrlich trashigen Elektro-Punk hinlegen. Wie alt mögen die drei wohl sein? Sänger und Basser Edi klingt, als könnte ihn irgendwann das Heintje-Schicksal ereilen – Karrieresturz dank Stimmbruch. Drummer Felix und Moog-Maniac Tamer sehen ein wenig aus, wie man sich die Klassensprecher der 9b vorstellt. Dennoch, ihr Krach aus Moog-Geboller, verzerrten Basslines und hysterischem Kreischgesang gefällt mir ungemein gut. Ich habe zwar keine Ahnung, wo von sie da singen, aber die Wortfetzen, die durchkommen, passen zur Musik. Mal sind es nicht so nette Wahrheiten über ‚Deine Eltern‘ (so heißt auch die Debüt-EP), dann brüllt Edi ‚Ausverkauf! Ausverkauf! Ausverkauf!‘ Das alles mag man naiv schimpfen und als jugendlichen Umstürzlerdrang abwatschen. Den meisten gefällt’s trotzdem.“ Tobten sie sich damals noch in der Tradition des No Waves aus, klingen sie heute eher so:

MIT – Pudong by cooperativemusic_germany Heute ist auch der Anblick ein anderer: Die Rolle der Angry Young Men, die damals Beth Ditto sehr gefallen hat (was sie mehrfach auf der Bühne kundtat), haben sie hinter sich gelassen. Wenn man die Drei so vor sich sitzen hat, sieht man eher drei Serious Young Men, die sehr überlegt, intellektuell und geradezu sezierend über ihre Arbeit referieren – eine theoretische Kühle, die man ihrer Musik zum Glück nicht anhört. Hier nun das Interview – geführt von Max Gösche und Daniel Koch:

Eure Songtitel sind sehr präzise, zumeist sind es einzelne Wörter. Ebenso der Albentitel. Warum „Nanonotes“?

Edi: „‚Nanonotes‘ war von Anfang der Arbeitstitel, weil wir überlegt haben, wie kleinteilig man Musik von Anfang an verarbeiten kann, und was für Parameter es da gibt. In was für einem Bereich wir uns bewegen. Wir hatten das als Idee im Kopf, als Forschungsgrundlage sozusagen. Der Name lag nahe, da ich mich sehr Mikrochips und -Technik interessiere.

Die Bandanfänge waren ja eher vom Postpunk oder vom New Yorker No Wave geprägt, heute habt ihr eindeutig Can, Neu! und Kraftwerk als musikalische Referenzpunkte. Wie würdet ihr euch heute musikalisch verorten?

Tamer: Erst einmal zu unserer Stil-Entwicklung: Dadurch das wir uns recht jung kennengelernt haben und recht früh angefangen haben miteinander Musik zu machen und dadurch, dass inzwischen fünf, sechs Jahre vergangen sind, gibt es natürlich eine grundsätzliche Interessenverschiebung. Und unsere Verortung? Wir versuchen eigentlich uns immer mehr auf die eigene Musik zu konzentrieren und uns damit auseinandersetzen, was eigentlich die Essenz der Musik ist, die wir machen wollen. Wir nähern uns da ein wenig an. Von mal zu mal.

Was genau wäre denn diese musikalische Essenz, oder das Ideal, das ihr anstrebt?

Tamer: Moderne Musik. Also Musik, die so modern wie möglich ist, aber trotzdem berücksichtigt, dass man als Musiker nicht im luftleeren Raum arbeitet, sondern dass es gerade in einer jungen Kunst wie der elektronischen Musik bestimmte Dinge gibt oder bestimmte Innovationen passiert sind, die man berücksichtigen muss. Und wo man sich einordnen muss – wir sehen uns als teil dieser Entwicklung. Das ist auch das Grundinteresse, warum wir angefangen haben, Musik zu machen. Die Fragen: Was ist elektronische Musik? Wieso ist sie entstanden? Wie und wo ist es entstanden? Was für Ideen standen dahinter? Und viel wichtiger: in welche Richtung entwickelt es sich? Da ist dann durchaus auch Chartmusik wichtig – Lady Gaga zum Beispiel. Oder der genaue Blick auf die Strömungen, die es in Deutschland gibt, zum Beispiel die schon recht unterschiedliche Entwicklung in Köln und in Berlin.

Den Kraftwerk-Einfluss kann man euch kaum absprechen – wie hat sich denn die Zusammenarbeit mit Emil Schult ausgewirkt?

Tamer: Wir nehmen Bezug auf Klänge aus einer anderen Zeit. Das ist unsere Positionierung, unsere Grundlage für die Arbeit, die wir machen. Das Zusammentreffen mit Jemandem, der elektronische Musik quasi miterfunden hat, oder der sie gemacht hat, als noch niemand wusste, was elektronische Musik ist – das war natürlich ein großer Glücksfall. Die Gespräche mit Schult waren für uns sehr wichtig, um unseren Fokus noch einmal zu justieren und uns genau zu überlegen, worauf wir Bezug nehmen und was mit uns zu tun hat und warum wir das überhaupt auf eine nächste ebene bringen will. Das Verhältnis war dabei ganz natürlich, eher freundschaftlich auf eigener Augenhöhe. Da gab es keine Ehrfurcht, oder war Angst im Spiel. Ohne ihn hätte es das Album auch nicht so gegeben. Er ist ein Teil davon.

Eure Antworten klingen sehr überlegt, fast so, wie man sich das bei „Jugend Forscht“ vorstellt. Arbeitet ihr auch so konzentriert zusammen?

Uns bleibt gar nichts anderes übrig, dadurch dass wir räumlich getrennt sind. Ich arbeite als Klangkünstler an der Staatsoper Hannover und an Theatern und wir studieren alle. Wenn wir uns nicht entscheiden würden, in solch intensiven Arbeitsblöcken zu arbeiten, würden wir nie ein Album schaffen. Wir entwickeln dabei Grundgerüste und besprechen sehr konkret, was wir machen wollen. Gerade diesmal wussten wir, dass wir am Ende mit einem Produzenten arbeiten wollten. Deshalb haben wir diese Grundgerüste so gelassen und sind dann nach London gefahren.

Ihr habt dort mit Jas Shaw von Simian Mobile Disco zusammengearbeitet, ebenfalls Jemand, der den Weg vom Pop zur Elektronik gegangen ist, in diesem Fall ganz konkret mit seiner Band Simian zu Simian Mobile Disco, einem Duo, das er mit James Fords höchst erfolgreich betreibt. Da liegt die Frage nahe: Wie groß war der Einfluss von Shaw auf das Album?

Tamer: Sehr groß. Dadurch, dass wir die Demos digital gemacht haben und dann im Studio den digitalen Stecker gezogen haben und die Instrumente eingestöpselt haben, hat es Volumen und Leben bekommen. Das war natürlich viel vom Produzenten abhängig. Er war das dritte Ohr der Band.

Letzte Frage: Wie wichtig sind euch die deutschen Texte?

Tamer: Das war nie eine konkrete Idee. Wir haben damals angefangen, Musik zu machen. Irgendwann ist Edi dann ans Mikro gegangen, und was er da gesungen hat, war eben deutsch. Letztendlich ist das wohl auch die Sprache, in der wir uns am besten ausdrücken können. Wir müssten uns jetzt sehr anstrengen, plötzlich englisch zu singen. Aber vielleicht machen wir das auch einfach mal. Andererseits haben wir schon kurz nach unserer Bandgründung erste Konzerte im Ausland gespielt und haben gemerkt, dass unsere Musik im Ganzen auch trotz Sprachbarriere in England und Japan verstanden wird. Inzwischen standen wir in China vor 15.000 Menschen auf einer Festivalbühne – und das „funktioniert“ da eben auch.

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