Schnee von morgen

Revival des Seitenscheitels: Die schottische Pop-Band LOVE & MONEY klingt nach 21 Jahren Abwesenheit so geschmeidig wie selten zuvor

Eines morgens Lagen im Büro unserer Plattenfirma überall Atlanten rum. Der Marketingmanager klärte uns auf: Wir koppeln ‚Jocelyn Square‘ aus, das handelt doch von einem Ort. Und als ‚Winter‘ herauskam, lud Phonogram eine Lastwagenladung Schnee vor dem BBC-Gebäude ab.“ Mitte bis Ende der 80er-Jahre steckten Plattenfirmen viel Geld und abstruse Ideen in schottische Bands, die sich dann als mäßig erfolgreich entpuppten. James Grant durfte das am eigenen Leib erfahren. Seine Band Love & Money erreichte dank dieser Aktionen Platz 51 bzw. 52 in den britischen Charts. Ihr bekanntester Song, der Blue-Eyed-Soul-Semiklassiker „Halleluiah Man“, schaffte es 1988 gar nur auf Platz 63. Nicht gerade die Hits, mit denen das Label gerechnet hatte. „Wir müssen sie deshalb noch bis zum Jahr 3023 an unseren Einnahmen beteiligen“, sagt der Mann aus Glasgow und lacht.

21 Jahre nach „Winter“ hat sich die Musikwelt komplett verändert, und Love & Money haben ihre Reunion selbst auf die Beine gestellt. Während ihnen früher namhafte Produzenten wie Tom Dowd und Gary Katz zur Seite standen, produzierten sie das neue Album „The Devil’s Debt“ in Eigenregie. Vielleicht nicht die schlechteste Entscheidung. „Katz ließ mich ‚Halleluiah Man‘ wieder und wieder einsingen, 30-, 40-mal. Das war eine schmerzhafte Erfahrung, auch wenn ich heute sehr dankbar dafür bin.“

Grant löste die Band 1994 auf, fünf bemerkenswerte Soloalben folgten. Als er aber vor einiger Zeit eine Art Wunschkonzert für seine treuesten Fans gab, wollten sie fast ausschließlich alte Love-&-Money-Stücke hören. „Da merkte ich, wie viel mir diese Songs bedeuten.“ Mit den alten Bandkollegen verbanden ihn noch immer freundschaftliche Gefühle, und deshalb war die Zeit gekommen, es noch einmal zu versuchen.

Ironischerweise gleicht nun ausgerechnet „The Devil’s Debt“ einer Hitsammlung und ist vollgestopft mit geschmeidigen Songs, die man in der 80er-Jahren wohl als „Popperlen“ bezeichnet hätte, etwa „Amaranth“, eine hinreißende Hommage an David Bowie. Und noch immer schreibt Grant Songs, die mit dramatischen Zeilen wie „Love lies bleeding“ beginnen. Dabei lebt er längst als rechtschaffener Familienvater, der abends nur noch Hunde ausführt: „Bei meinen Texten kann ich sehr gut auf meinen Erfahrungsschatz zurückgreifen. Die Geschichte muss nicht immer wahr sein, solange sie, das ist das Entscheidende, feinfühlig erzählt wird.“

Feinfühlig wie jener Song, der in einer anderen Ära dafür sorgte, das an einem milden Novembermorgen plötzlich Schnee vor den Toren der BBC lag.

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