Seit der Wiedervereinigung vor fünf Jahren sind Blondie eine bessere Band, findet Debbie Harry. Weil alle Mitglieder wissen, dass sie gebraucht werden

Bei manchen Bands wäre es rein gefühlsmäßig toll, wenn man sie unter Denkmalschutz stellen könnte, ihnen alle baulichen Veränderungen am Gesamtwerk und vor allem das Aufnehmen neuer Platten unter strengen Auflagen verbieten würde. Blondie kennen dieses Gefühl, haben ihr 2003er-Album vielsagend „The Curse Of Blondie“ genannt: Viele im Publikum empfinden es ja als Belästigung, zusehen zu müssen, wie die glänzende Debbie Harry langsam ein paar Falten bekommt. Marilyn Monroe ist eine beachtliche Weile tot, Debbie Harry geht es noch immer ganz gut.

Nebeneinander auf dem Sofa sehen sie und Chris Stein, der ergraute Gitarrist, ihr ehemaliger Liebhaber, wirklich wie ein ältliches Ehepaar aus. Harry war eh schon 31, als die Indie-Version des ersten Blondie-Albums erschien, doch in einem jüngeren Interview hat sie sinngemäß gesagt, erst seit der Wiedervereinigung 1998 sei die Band hinter ihr gut und zuverlässig. „Sie war sicher besoffen oder verwirrt, als sie das gesagt hat“, brummt der Onkel Stein, und Debbie Harry erklärt es: „Damit habe ich sicher nicht die Musik gemeint, sondern die Verhältnisse innerhalb der Gruppe. Es gab immer viel internen Kampfund Wettbewerb, was viel mit den unterschiedlichen Charakteren zu tun hatte. Die Band Blondie hat auch stark unter ihren schlechten Managern gelitten.“ Ein Manager ging damals um und flüsterte allen Bandmitgliedern ins Ohr, sie seien doch austauschbar (was nicht mal stimmte – man vergleiche Harrys nicht so tolle Soloalben). Um Zerrereien zu vermeiden, wurde Gitarrist Frank Infante zur Reunion gar nicht erst gebeten. Bassist Nigel Harrison, der bei der Plattenfirma Interscope arbeitete, lachte nur durchs Telefon: Besten Dank, er habe einen richtigenjob. Als Blondie Nummer zwei dann Platten verkauften, schickten Harrison und Infante ihre Anwälte los, ohne Erfolg. „Wir profitieren jetzt von den Erfahrungen, die wir gemacht haben“, sagt Harry. „Und von besseren Managern. Erfahrungen, gute Manager – die Kombination ist unschlagbar.“ Den zweiten Blondie fehlt das musikalisch Unverwechselbare der New-Wave-Zeit zwar völlig, aber als Sängerin und Schreiberin landet Debbie Harry wieder bemerkenswert viele Treffer und lässt dieses Mal sogar ein paar Free-Jazz-Tröter ins Studio, die an Harrys jüngste Arbeit mit den New Yorkerjazz Passengers erinnern. Obwohl es die wahre Kunst heutzutage schon schwer habe, seufzt sie. Dabei ist sie selbst mittlerweile ein größeres Kunstwerk als damals.

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