So war der Preis für Popkultur 2022: Hauptsache gesund!

Der Alternativ-„Echo“ hat sich mit einer rauschenden Gala im Berliner Admiralspalast zurückgemeldet. ROLLING-STONE-Autor Ralf Niemczyk war dabei.

Normalerweise haben Award-Veranstaltungen im Showbusiness griffig-knuffige Namen wie „Oscar“, „Emmy“, „Grammy“, „Lola“ oder „Faust“ als deutscher Theaterpreis. Die Wortfolge „Preis für Popkultur“ (Kenner rufen ihn „PfP“) klingt dagegen wie ein Arbeitstitel eines noch in Entstehung begriffenen Konzeptes.

Der „PfP“ existiert allerdings bereits seit 2016 und ist einst als Alternative zum immer grotesker werdenden Musikindustrie-Award „Echo“ ins Leben gerufen worden. Während der „Echo“ weiterhin auf seine Wiederbelebung wartet (auf dem Parkett ist zu hören, dass man das wahrscheinlich „knicken“ kann), erstrahlt der PfP mit seiner Gala im festlichen Admiralspalast an der Berliner Zentralmeile Friedrichstraße im hellsten Glanz.

Ilona Hartmann

Angesichts einer verdoppelten Zuschauerzahl und eines auf 900 Ehrenamtliche angewachsenen Förderkreises lässt sich mittlerweile von einer Art „German Music Academy“ sprechen. Die Preise werden nicht – wie einst beim „Echo“ – über Verkaufszahlen vergeben, sondern durch rein künstlerisch-ästhetische Entscheidung. Plus ein gerade in Mode befindliches „irgendwie woke sollte es sein“.

So spricht man auch von „Kuratoren“ und „Narrativen“, ganz so wie es sich das Feuilleton der ZEIT oder der Gender-Studies-Professor (m/w/d) von der FU Berlin es sich wünschen. So läuft das halt in diesen Tagen, und ganz falsch ist es eben auch nicht, wenn von der Bühne offensiv verkündet wird, wie immens wichtig QUEER für die Popkultur gewesen ist. Und es immer sein wird!

Doro Pesch bekommt Preis fürs Lebenswerk

Lässt man sich allerdings das Award-Tableau in schnöder Reihung auf der Zunge zergehen, fällt einem wiederum der schlaue Begriff „Eklektizismus“ ein. Oder auch: „Welches Kraut haben die bei ihren Jury-Sitzungen geraucht?“ Auch beim „Preis für Popkultur“ werden die größten Stars per Videobotschaft zugeschaltet. Eine Tour oder ähnliches unterbricht man dafür – im Gegensatz zu „Oscar“, „Mercury“ und „Grammy“ – eher nicht. So ist das eben!

Im Einzelnen: Die Düsseldorfer Rockerin Doro Pesch (58) wurde mit einem „Lifetime Achievement“ ausgezeichnet, Props für ein schillerndes Leben an der E-Gitarre: Zur Lieblingskünstler*in wurde Antje Schomaker mit ihrem „Ich Muss Gar Nichts“ gekürt. Ein durchaus eigenwilliges Votum.

Moderator Jo Schück interviewt die Queen of Metal Doro Pesch

Lieblingsband wurden die Berliner Altmeister von den Beatsteaks („Kommando Sunshine“), Tocotronic, die auch ein Ständchen auf der Bühne gaben, wurden für ihr Spätwerk „Nie wieder Krieg“ belobigt.

Tocotronic und Soap&Skin

Den Auftakt des souverän wegmoderierten Reigens machten Team Scheisse, die für „Ich habe dir Blumen von der Tanke …“ mit dem Lieblingssong ausgezeichnet wurden.

Die beeindruckendste Liveshow kommt natürlich weiterhin von Rammstein. Das Top-Narrativ hat die Chemnitzer Crew Blond mit „Hörbuch der sexualisierten Gewalt“.

Lieblingsproduzent*in wurden nicht die Star-Zamapanos Tim Tautoreit oder Rockpapst (und Husten-Basser) Moses Schneider, sondern die nur in Fachkreisen bekannte 26-jährige Berliner Studioexpertin Novaa für „She’s a Star“.

Novaa im Gespräch mit Moderatorin Salwa Houmsi

Ein weiterer Lieblingssong wiederum wurde an Kummer feat. Fred Rabe mit „Der letzte Song (Alles wird gut)“ vergeben.

Und die omnipräsente Kölner Comedy-Queen Carolin Kebekus bekam eine Art „most excentric award“, der da heißt „Gelebte Popkultur“ für ihr „Dcksfestival“, bei dem im Juni 2022 am Tanzbrunnen im Kölner Rheinpark nur Frauen aufgetreten sind, darunter die wiederformierte Girlgroup No Angels.

Etwas zu viel Berlin im Preis-Mix

Folgende Anmerkungen lassen sich nicht vermeiden: Der Preismix aus etabliertem Mainstream (Rammstein. Kebekus, auch Tocotronic) und fast unbekannt verblüfft. Auch scheint das Feld ein wenig zu Berlin-lastig, aber vielleicht ist der aktuelle Hauptstadt-Jahrgang wirklich ein guter. Man weiß es nicht, da die stützende Einteilung in Genres (wie bei den US-Grammies) komplett entfällt.

Der „Preis für Popkultur“ möchte alles richtig machen, das spürt man. Und die Sause im Admiralspalast war und ist tausendmal netter als ähnliche Events, wo sich „die Industrie“ gegenseitig feiert.

Nur: Es besteht damit auch die Gefahr der Beliebigkeit. Beliebte Frage abseits des Scheinwerferlichtes: „Für WAS hast Du noch mal WAS gewonnen?“ Aber egal. Ist ja nur Pop. Hauptsache gesund!

Samira Joy Frauwallner
Samira Joy Frauwallner
Samira Joy Frauwallner
Samira Joy Frauwallner
Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates