Songs von SIGUR RÓS dauern in der Regel sieben Minuten. Wie ein Pils. Beides kann sehr schön sein

Endlos erstreckt sich eine weite, unbewachsene Ebene bis zum Horizont. Menschen in weißen Tüllkleidern tanzen ein sonderbares Ballett Immer intensiver wird das Spiel, ein simpler Kuss wird zum anrührenden Höhepunkt: Wir sehen „Svefh-G-Englar“, ein Video der isländischen Band Sigur Ros, die Mitwirkenden sind allesamt Behinderte. Einzigartige Schauspieler, so wie die Musik von Sigur R6s einzigartig ist: Rock scheint nur eine verblasste Erinnerung, Elektronik eine trügerische Hoffnung, und selbst Anklänge an zeitgenössische Komponisten wie Arvo Part sind weit entfernt.

Die Vier aus Island sind so weit von allen Pop-Vferwertungsmechanismen entfernt, dass ihr neues und viertes Album den rätselhaften Titel “ ()“ trägt. Die einzelnen Songs haben konsequenterweise überhaupt keine Namen, und Sänger Jons: Birgisson singt nun komplett in einer Fantasiesprache, die er „Hopelandish“ nennt „Die Lieder haben keinen Text und handeln von nichts Bestimmtem“, erklärt Kjartan Sveinsson, der 24-jährige Keyboarder; „es gab keinen Grund, ihnen Namen zu geben. Die Hörer sollen einen eigenen Zugang entwickeln. Ein von uns ausgedachter Titel würde eine Bedeutung ins Spiel bringen, die in keiner Weise der Wahrheit entspricht.“

Leise, fast schüchtern reden sie von ihrer Musik, die vor allem eins ist: wahnsinnig schön. „Alles, was echt ist und wirklich, kann auch schön sein“, sagt Schlagzeuger Orri Páll Dyrason. „Wenn jemand am Arm blutet und die Tropfen langsam zu Boden fallen, dann ist vielleicht auch das wunderschön.“ Der melancholische Klang von Sigur Ros ist natürlich wie gemacht für Soundtracks: Neben isländischen Produktionen wie „Angels of the Universe“ hat die Band auch am Tom-Cruise-Film „Vanilla Sky“ mitgewirkt. „Der Film war eher… naja“, sagt Kjartan, doch immerhin sind Sigur Rós seitdem in den USA recht populär. Im letzten Jahr hat man ihnen sogar einen Auftritt in der Letterman-Show angeboten; sie haben abgelehnt, weil man ihnen für einen ihrer Songs nur vier Minuten Zeit geben wollte – dabei ist keines ihrer Stücke kürzer als sieben Minuten. Aber so sind diese Isländer nun mal: Denken kann man über ihre Musik, was man will, aber zuhören muss man ihnen. In voller Länge und unbedingt.

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