Superstarfighter

Anfang 1992

Helmut Kohl saß buddhagleich an der Spitze des Staates und Selbstzufriedenheit war der König von Deutschland, die Wiedervereinigung und der damit verbundene falsche Nationalismus standen vor der Tür. Wer jung war, musste sich entscheiden: entweder, ohne zu murren ins System einsteigen, einen Job annehmen, Karriere machen – oder einen Widerspruch formulieren. In der deutschen Popmusik hatte das Nich-Einverstandensein damals keine laute Stimme. Die Neue Deutsche Welle war in Klamauk und Kunosiäten abgeebbt, die deutsche Sprache galt als peinlich, wurde nur von wohlsituierten Rockern benutzt, um – egal, worum es gerade ging – Betroffenheit zu simulieren und damit viel zu viele Platten zu verkaufen.

Doch in Hamburg etwa fanden in alternativen Clubs und Bars Musiker zusammen einige stammten aus Ostwestfalen, wo sie unter dem Label Fast Weltweit musiziert hatten -, diskutierten über Gesellschaft und Pop, gründeten Bands, spielten Konzerte und schrieben Songs, in denen sie sich auf die Texte der anderen Bands bezogen. Was alle Musiker verband, war nicht an ihrer Herkunft oder Musik festzumachen, sondern an einer allgemeinen Lust am Diskursiven – der Auseinandersetzung mit politischen Inhalten und postmodernen Theorien. Es ging darum, Pop beim Wort zu nehmen, das Private zu politisieren und zur Diskussion zu stellen.

Das Label L’Age D’Or bot vielen der neuen Bands ein Zuhause. Erste LP-Veröffentlichung war im Spätsommer 1989 „Heile Heile Boches“ von der Kolossalenjugend, es folgten Platten von Die Antwort, Huah!, Mutter (aus Berlin), Ostzonensuppenwürfelmachenkrebs, Die Sterne, Die Regierung (aus Essen) und (später) Tocotronic. Doch es waren zwei Veröffentlichungen auf Alfred Hilsbergs What’s So Funny About-Label, die Anfang 1992 die Aufmerksamkeit auf die neue Szene lenkten: das Debüt der Band Blumfeld, „Ich Maschine“, und „Reformhölle“, das zweite Album von Cpt. Kirk & Thomas Groß schrieb in der „taz“ anlässlich der beiden Veröffentlichungen über diese Bands, die „radikales Juvenilsein zum Programm erhoben haben, das mit Lesefrüchten von Adorno bis hin zu Luhmann kredenzt wird“, und prägte – in Analogie zur Frankfurter Schule – den Begriff Hamburger Schule. Viele wie das im Pop nun mal so ist: vor allem Altere – reagierten irritiert auf diese ernsten jungen Menschen, spöttelten von.,Studentenmusik“ und „Seminarprosa“, doch wir fühlten mit Blumfeld-Sänger Jochen Distelmeyer: „Rock’n’Roll hat meinem Leben einen neuen Sing gegeben…“

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