The Incredible String Band

Ende der 6oer Jahre galten sie als die Speerspitze der musikalischen Hippie Revolution – schottische Folkies, die exotische Instrumente aus aller Her- ren Länder entdeckten und in eine psychedelische Wundertüte steckten. Das Versponnene, Verspielte und ver- spult Visionäre der Incredible String Band schien seit Jahrzehnten in den Archiven der populären Musik zu verstauben. Umso frappierender, daß die weltfremden Käuze und ihre verschrobene Weltmusik heute eine so unerwartete Renaissance erfahren.

Da saßen sie nun. Verloren am Rand einer Bühne, die so groß war wie ein Fußballfeld und so hoch wie eine Autobahnbrücke: Robin Williamson, Mike Heron, Licorice McKechnie und Rose Simpson. Die zart und elfenhaft wirkenden Musiker waren umzingelt von PA-Türmen, die sie nicht benötigten; umwuselt von Roadies, denen es völlig egal war, daß diese wunderlichen Briten gerade ein paar sehr leise Lieder spielten. Die beiden Mädchen sahen auf eine altertümliche Weise hinreißend aus. So, als seien sie in diesem Moment einem Bild des Jugendstil Malers Alfons Maria Mucha entstiegen: Blumenkränze in den wallenden Haaren und gekleidet in weiße Gewänder, deren Säume sanft die nackten Knöchel kitzelten. Heron und Williamson wirkten dagegen wie zwei britische Dandys, die es aus dem 19 Jahrhundert zufällig in die Hippie-Epoche verschlagen hatte. Just look around and notice where you are“ sangen sie, und ihr Blick glitt dabei über Hunderttausende von halbnackten Menschen, die sich vor ihnen betrunken und bekifft im Schlamm wälzten. Ja, die Incredible String Band hat tatsächlich in Woodstock gespielt. Und es war der vielleicht schwächste Auftritt einer Band, zu deren Zielen es gehörte, die Grenzen zwischen Bühne und Publikum aufzuheben. Doch die Zeiten der Unschuld waren 1969 schon fast vorbei, und auch viele Hippies hörten lieber den elektrischen Power-Boogie von Canned Head als ein mystisches Raunen zu exotischen Instrumenten. Also kam es, wie es kommen mußte: Nachdem sich die Incredible String Band 1974 getrennt hatte, senkte sich ein staubiger Teppich des Vergessens über die Band. Instrumente wie Sitar, Gimbri und Oud waren im Pop aus der Mode, und die Gedichte von William Blake fanden kaum noch Leser unter den Jungen und Hippen. Jetzt herrschten ausgestreckte Mittelfinger und röhrende Verstärker. Laut war das neue Leise. Und auf den Lederjacken der jungen Rebellen stand „Hippies ins KZ!“ Doch im Lauf der Jahrzehnte wurden auch die Punks älter, und ihre einst so aufrührerische Musik gehörte inzwischen multinationalen Konzernen, die damit ihre globalen Werbekampagnen unterlegen. Und je wilder – aber auch ununterscheidbarer – sich die jeweils neuesten Inkarnationen des Rock’n’Roll, HipHop oder Dance präsentierten, um so klarer konnte man erkennen, daß im Pop ein Gegengewicht fehlt. Das Versponnene, Verspielte und verspult Visionäre war in den letzten Jahrzehnten einfach zu kurz gekommen. Und dann, Anfang des neuen Jahrtausends, waren sie plötzlich wieder da: Sonderlinge und Spinner, die Folk mit nie gehörten Klängen verbanden und Lieder schrieben, die das Anderssein feierten – DevendraBanhart, Coco Rosie, Fourtett, Joanna Newsom, Animal Collective, Antony & The Johnsons. Immer mehr Musiker beziehen sich heute wieder auf die Incredible String Band: Neil Tennant schwärmt von inspirierenden Momenten, die New Yorker Noise-Band Oneida hat einen Song nach den weiblichen ISB-Mitgliedern „Rose & Licorice“ genannt – und auch Dirk von Lotzow ist bekennender Fan (s. Kasten rechts). Der Titel des letzten Tocotronic-Albums: „Pure Vernunft darf niemals siegen“ könnte ebensogut das Motto der Incredible String Band gewesen sein.

Angefangen hatte alles 1965 in einem verqualmten Ganoven-Treff in Glasgow. Der Laden nannte sich Incredible Folk Club und gehörte einem Typen namens Clive Palmer, mit dem Robin Williamson schon seit 1961 zusammenspielte. Folk entwickelte sich in dieser Zeit von einem alltäglichen Hintergrundrauschen zu einem wichtigen neuen Bestandteil der Popkultur: In den späten Fünfzigern waren es meist LKW-Fahrer, Fischer oder Klempner, die nach ein paar Pints zur Fidel griffen, um beherzt die alten Folktunes zu schmettern. Mit den Beatniks kam eine neue Sichtweise: „Du spürtest plötzlich, daß du keine Ausbildung brauchst, um selber Musik zu machen. Der Zeitgeist und eine politisch linke Stimmung förderten das Lesen von Autoren wie Jack Kerouac und Jean Paul Sartre. Leute wie ich begannen Folk-Songs zu schreiben, die sich musikalisch und inhaltlich an der freien Form der Beat-Prosa orientierten“, erinnert sich Williamson drei Dekaden später. Im Unterschied zu Williamson und dem Banjo-Spieler Palmer hatte Mike Heron keinen Folk-Background. Der Sohn eines Lehrers kam aus der frühen Mod-Szene, begeisterte sich aber Vorschuß der Plattenfirma reiste er in das von Burroughs, Bowles und Gysin gepriesene Marokko, um dort „wie ein König zu leben“. Sechs Monate später war er wieder zurück – beladen mit einem Sack voller exotischer marokkanischer Instrumente.

Gerade rechtzeitig zum „Summer of Love“ machten sich Heron und Williamson an das zweite Album „5000 Spirits Or The Layers Of The Onion“.

Was die beiden dabei auf ausschließlich akustischen Instrumenten fabrizierten, war zwar noch immer irgendwie „Folklore“, doch die Einflüsse schnell für das aufregende neue Milieu: „Das Tolle an den Folk-Clubs war, daß man dort wirklich zuhörte. Niemand hat vor Dylan in Clubs auf die Texte geachtet. Man ist nur aus einem einzigen Grund dorthin gegangen: um zu tanzen.“ 1966 unterschrieb man einen Vertrag bei Elektra, um kurz darauf in Chelsea das noch recht traditionelle Debütalbum „The Incredible String Band“ einzuspielen. Ein einziges Mikro brauchte es dafür und den Produzenten Joe Boyd, dessen legendärer Ruhm als Großmeister des Folk damals seinen Anfang nahm. Die Band selber war von dem Album weniger überzeugt. Clive Palmer glaubte gar, es ginge nun bald nur noch ums Geld und den Ausverkauf der Musik. Kurzentschlossen packte er Banjo und Klamotten, um ins damals gelobte Land Afghanistan auszuwandern. Auch Williamson wurde vom Fernweh gepackt: Mit seinen 50 Pfund vom kamen nicht mehr allein aus schottischen Hochtälern, sondern auch aus Indien, Nordafrika oder Amerika. Ein durchschnittlicher LKW-Fahrer aus Edinburgh konnte mit diesen psychedelischen Soundcollagen nichts mehr anfangen. Sitar, Tamboura, Gimbri, und Oud sorgten in den meisten Songs für eine exotische Grundstimmung obwohl keiner der beiden diese Instrumente wirklich beherrschte. „Wir wollten damals auch das Virtuosentum in Frage stellen. Wer entscheidet denn, ob jemand spielen kann oder nicht?“

Das Ergebnis war eine irritierend neue Form des Songwritings, die sich in ihrer staunenden Unschuld bewußt an naiver Malerei und dem exotischen Impressionismus Paul Gauguins orientierte. „Vor den Zeiten des Moog Synthesizers gab es nur eine Methode, um interessante Sounds zu erzeugen: Man mußte interessante Instrumente auftreiben und einsetzen“, behauptet Williamson. Auf diese Weise entstand ein raffinierter Eklektizismus, der auf die Authentizität der Quellen keinen Wert legt und folkloristische Einflüsse nur noch als Klangfarben nutzt.

Für Williamson war das noch immer nicht genug Grenzüberschreitung: Der frischgebackene Klangforscher stimmte auch die Gitarren in fremden Tonarten, und selbst sein Gesang orientierte sich nun mehr an nordafrikanischen und ostasiatischen Melodieführungen als an den Traditionen der britischen Folklore. Williamson näselte, dehnte endlos einzelne Töne und meckerte bisweilen wie ein irrer Ziegenbock. Das war unzweifelhaft originell und etwas völlig Neues – doch normale Hörer haben selbst heute noch Schwierigkeiten mit dieser exaltierten Art des Singens.

Gut, daß Mike Heron dazu ein erfrischendes Gegengewicht bildete, mit süffigen Melodien und kindlich poetischen Fabeln. In manchen Songs führte er gar Unterhaltungen mit kleinen Wolken („Little Cloud“) und mußte sich im „The Hedgehog’s Song“ von einem noch kleineren Igel belehren lassen: „Oh you know all the words and you sum up the notes, but you’ll never quite learn the song she sung“. Das klang auf eine so bezaubernde Weise anders und neu, daß viele glaubten, das Zeitalter des Wassermanns sei nun angebrochen und jeder würde in Zukunft mit Blumen in den Haaren herumlaufen.

Entsprechend erfolgreich war das folgende Meisterwerk „The Hangman’s Beautiful Daughter“. das 1968 in den britischen Charts sensationell Platz 5 erreichte. Noch nie zuvor hatte sich ein Folk-Album so gut verkauft. Das groß‘ artige „Landkommune in ihrem natürlichen Umfeld“-Cover zeigt Williamson und Heron inmitten von lachenden Freunden, Kindern und Hund. Ebenfalls zu sehen sind Christina „Licorice“ McKechnie und Rose Simpson, die Freundinnen von Mike und Robin, die schon damals bei Konzerten auf Bongos klopften und ein paar Uuuuuhhhs und Aaahaahhhs vor sich hin sangen.

Zwischen 1968 und 1970 war die Incredible String Band eine der coolsten und innovativsten Bands des Planeten Erde: Selbst Götter wie die Beatles pilgerten regelmäßig zu den Konzerten. Die Stones wollten die Schotten für ihr geplantes „Mother Earth“-Label unter Vertrag nehmen, und auch Donovan und Marc Bolan waren eifrige Schüler. Lediglich Bob Dylan murmelte auf die Frage eines Reporters nur ein mürrisches „quite good“. Robert Plant war deutlich enthusiastischer: „Robins Gesang war einzigartig, und ich dachte ernsthaft daran, mit dem ganzen ,Ooooh Yeeeahh‘-Geschrei aufzuhören, um was ähnliches zu machen.“ Plant träumte davon, einmal im Leben eine Led Zep-Show mit „A Very Cellular Song“ zu beenden. Doch Drummer John Bonham raunzte nur verächtlich: „Fuck Off!“.

Die ISB-Gigs stellten in diesen Tagen eine kompromißlose Hippie-Attitüde zur Schau. Am anstrengendsten waren die peinlichen Eröffnungen von Robin, der jeden Zuschauer bat, zunächst die Person zur Linken zu begrüßen. Dann kam der rechte Sitznachbar an die Reihe – selbst wenn es die eigene Freundin war. Oft genug verzögerte die Band den Auftritt so lange, bis ein bestimmter persischer Lieblingsteppich mit dem Taxi herbeigeschafft wurde. „Wir sitzen immer auf diesem Teppich, ohne ihn können wir nicht spielen“, hieß es dann in weggetretener Unschuld.

Doch selbst in solch zickigen Momenten hatte die Band ein phantastisches Stilgefühl: „Wir waren“, so Williamson, „vermutlich die Ersten, die diese raggedy-taggedy Art von selbst gemachten Klamotten trug, auf die sich später die gesamte Modewelt stürzte.“ Doch auch heute noch würden Stylisten begeistert in die Hände klatschen, angesichts der perfekt abgestimmten Muster, Farben und Texturen dieser modischen Selbstinszenierung. Die Outfits der Incredible String Band entsprachen eher den Hippie-Vorstellungen einer Vogue-Redakteurin als den Fransen-und-Flicken-Jeans-Klischees amerikanischer Filme.

Das Cover des Doppelalbums „Wee Tam & The Big Huge“ zeigt Heron und Williamson im Garten von Frank Zappas Haus in LA. Die Zartheit des Covers korrespondiert mit dem Inhalt wobei diese sprachliche Eleganz, diese traumverlorenen märchenhaften Bilder natürlich prompt als Eskapismus beschimpft wurden. 1968 war das Jahr des Straßenkampfs und der Proteste. Aber war es nicht ebenso wichtig, eine Utopie des Andersseins zu formulieren und diese zu leben? Landkommunen, psychedelische Drogen, magische Bücher, Literatur von Dylan Thomas bis Aldous Huxley und eine grundsätzliche Offenheit gegenüber fremden Kulturen – all das war der Nährboden, aus dem diese eigenwilligen Lieder wuchsen.

Wobei beide Songwriter auf ihre Weise zeigen wollten, wie einmalig sie waren: Der blonde Engel Williamson gab den tiefsinnigen Mystiker mit literarischem Anspruch; das Schlitzohr Heron war eher direkt und zupackend-ein Freund der Frauen und ein lebenlustiger Spaßvogel, dessen Mod-Background sich in mitreißenden Melodien manifestierte. Oft war es ein regelrechter Konkurrenzkampf, der sich zwischen den beiden entspann. Hatte Heron einen Song geschrieben, wollte Williamson darin unbedingt einen instrumentalen Akzent setzen -und umgekehrt. Und als Mike seine Freundin Licorice in die Band einführte, kam Robin bald darauf mit seiner Liebsten Rose. Produzent und Manager Joe Boyd: „Beide waren Freunde von Clive Palmer – miteinander kamen sie nicht klar. Als Clive ging, ließ er zwei Menschen zurück, die ohne ihn vermutlich nie in der gleichen Band gespielt hätten. Robin und Mike hatten wenig Zuneigung zueinander, doch zwischen den Mädchen gab es eine unverblümte gegenseitige Abneigung“.

Diese Abneigung konnte man allerdings nur als Insider bemerken: Auf dem Cover von „Changing Horses“ präsentierte sich die Band als aneinander gekuscheltes Doppel-Pärchen im grünen Paradies. Doch wie in jedem Paradies gab es auch in diesem eine Schlange: Ron L. Hubbard. „Changing Horses“ war die erste ISB-Veröffentlichung, die unter dem Einfluß von Scientology entstand. Heron bekennt in einem Interview, daß die Sekte indirekt auch sein Songwriting beeinflußte, „weil sich mein restliches Leben geklärt hat“. Und Williamson gab zu Protokoll: „Wir begannen Lieder zu schreiben, die deutlich direkter kommunizierten. Das Publikum sollte wirklich verstehen, was wir meinen. Davor waren wir ausgesprochen introvertiert“.

Dennoch befand sich auf „Changing Horses“ mit dem 16-minütigen „Creation“ ein Song, der so komplex und tiefgründelnd war, daß ein Amerikaner darüber seine philosophische Doktorarbeit schrieb: „Dieser nette Mensch verwendete jede Menge analytischer Begriffe von Freud und Jung, um seine These zu belegen – doch er kam nicht einmal ansatzweise in die Nähe der Wahrheit“, lacht Williamson, der – wie auch Heron – heute nichts mehr mit Scientology am Hut hat.

Fast zeitgleich mit der Scientology-Initiation ereignete sich das Woodstock-Desaster: Die Incredible String Band sollte am Freitag Abend auftreten, um 22:30 Uhr, nach Tim Hardin und Joan Baez. Doch als ein Wolkenbruch das Gelände überschwemmte, weigerten sich die Gruppe, die nicht ausreichend überdachte Bühne zu betreten. Ohnehin überfordert und genervt von dem gigantischen Spektakel, schickten sie Joe Boyd vor, der einen Auftritt für den nächsten Nachmittag aushandelte. Doch da brannte eine glühende Sonne über 400 000 schwitzenden Drogenköpfen, die alles andere wollten, bloß keinen Folk. Als die schottischen Elfen auf die Bühne kletterten, wurde ihnen schlagartig klar, daß dies alles ein gewaltiger Fehler war. Was ein Karrieresprung hätte sein können, wurde der Anfang eines langen Abschieds.

Trotzdem ließ sich die Band nicht unterkriegen. Zusammen mit Regisseur Peter Neal entstand 1969 der Film „Be Glad For The Song Has No Ending“, ein sympathischer Mix aus Dokumentation, Live-Mitschnitt und Freak-Theater. Ein Jahr später folgte das bizarre Bühnen-Spektakel „U“, das mehrere Tage lang im Londoner „Roundhouse“ lief. Doch die in Zusammenarbeit mit Malcolm Le Maistres „Stone Monkey“-Theatergruppe entstandene surreale Parabel aus Songs, Tanz und Pantomime wurde von der Kritik zerrissen.

Die Band lebte zu dieser Zeit zusammen mit den Stone Monkeys in ehemaligen Arbeiterhäusern, auf dem Anwesen des Lord Glen Connor in Wales. Und es muß genauso gewesen sein, wie man sich das fidele Landkommunen-Leben vorstellt: Es roch nach süßlichem Harz und die Mädchen trugen Namen wie Moonchild oder Earthstar. Auch die 16jährige Kate Bush soll hier einmal Gast gewesen sein. Und gelegentlich kam auch Princess Margaret, die kleine Schwester der Queen, auf einen Kräutertee vorbei.

Doch langsam begann der Hippie-Traum zu zerbröseln. Le Maistre war inzwischen der offizielle Nachfolger der ausgeschiedenen Rose Simpson, und all die wunderbaren exotischen Instrumente begannen aus den Liedern zu verschwinden. „Liquid Acrobat As Regards The Air“ und „Earthspan“ waren Übergangs-Alben, die noch immer ein wenig vom Geist der alten Tage verströmten. Als „Likky“ McKechnie, das ultimative Hippiemädchen, 1972 ging, war nichts mehr wie früher.

Für das folgende „No Ruinous Feud“ heuerte man eine Rhythmustruppe an, die durch Saxofon und Orgel ergänzt wurde. „At The Lighthouse Dance“ war noch immer ein toller Song, doch er klang, als habe ihn eine völlig andere Band eingespielt. Hier zeigte sich in letzter Konsequenz, daß Williamson und Heron längst in völlig verschiedene Richtungen unterwegs waren. Während sich Robin wieder stärker dem keltischen Folk zuwandte, entdeckte Mike den Zauber verzerrter Gitarren. Auf seinem ausgezeichneten Soloalbum „Smiling Man With Bad Reputations“ ließ er sich auf einem Track gar von The Who begleiten. Der letzte große Auftritt der Band, am 9. Mai 1974, war die „Eternal Variety Show“ – bezeichnenderweise ein Event zugunsten von Scientology. Die neue „Klarheit“ und „Vernunft“, die Williamson und Heron in der Sekte fanden, hatte letztlich die Magie und Sinnlichkeit ihrer Songs zerstört. Die Sehnsucht nach dem Fremden und Unergründlichen wich dem Willen zur Norm und Anpassung.

Beide nahmen noch etliche Soloalben auf- und einige davon sind gar nicht übel -, doch halbherzige Comebacks (wie die seit 1997 stattfindenden Auftritte von Heron und Williamson, manchmal auch mit Clive Palmer) machen wenig Sinn. Anstatt sich die überflüssigen Live-CDs der Reunion-Konzerte zu holen sollte man lieber die hervorragenden Alben hören, die Williamson in den letzten fünf Jahren für ECM eingespielt hat. Oder Herons Solo-Alben eine Chance geben, zum Beispiel „Where The Mystics Swim“.

Den Geist der atemberaubenden frühen Incredible String Band findet man nun woanders. Bei den verschrobenen Coco Rosie und ihren trötenden Spielzeuginstrumenten, zwischen den mysteriösen Samples von Animal Collective, auch in den schwärmerischen Liedern des neuen, wunderbaren Albums von Phantom/Ghost. „Wizard of changes, teach me the lesson of flowing“ heißt es in „The Water Song“ von „The Hangman’s Beautiful Daughter“. Und, ja, warum soll man Musik nicht ganz genauso verstehen: als Element, das seine Form stets aufs neue verändert und sich gerade deshalb selber treu bleibt? Und genau das können wir von der Incredible String Band auch heute noch lernen: Mut zur Exzentrik und keine Angst vor dem Kampf gegen Windmühlenflügel.

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