RS-Reisebericht

Die Wilden und das Meer: So ist es auf der Full Metal Cruise

Unser Autor schipperte als Bordschreiber auf der Full Metal Cruise mit dem Kreuzfahrtschiff und harter Musik auf den Ohren übers Mittelmeer. Lohnt sich die Überfahrt? Hier ist sein knallhartes Urteil!

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Headliner der Cruise sind Saxon und In Ex­tremo. Beide füllen das Theater, die Spielstätte mit der größten Bühne, komplett. Aus Sicherheitsgründen müssen sogar ein paar Dutzend Fans draußen bleiben. „Weil der Dampfer sonst Schlagseite bekommt, oder was?!“, schimpft ein Abgewiesener kopfschüttelnd. Aber es gibt immer eine zweite Chance: auf dem Pooldeck. Saxon spielen als einzige Band an Bord zwei komplett unterschiedliche Sets, keine große Kunst bei der Backlist. Eine Frau nutzt die Gelegenheit und lauert Frontman Biff nach dem ersten Konzert auf. Sie lässt ihren ganzen Charme spielen, wünscht sich das Christopher-Cross-Cover „Ride Like The Wind“. Aber Biff ziert sich. Man habe den Song nicht im Programm. Sie nimmt ihn sich richtig zur Brust, bis der Alte klein beigibt und liefert – am nächsten Abend. Man kann ihr Jubelgeschrei gut hören. Für solche Momente hat Zeus, Odin oder Holger Hübner die Full Metal Cruise erschaffen.

Biff ist auf der Bühne zwar mittlerweile ein bisschen hüftsteif, aber die Band spielt zwei fulminant gedroschene, haltlose, fast ein bisschen zu undisziplinierte Gigs. Dem Schiffstätowierer Ventor, in Personalunion Drummer bei Kreator, dürfte das gefallen haben. „Saxon sind meine Jugend, da muss ich hin, egal wie oft ich die schon gesehen habe“, erzählt er mir am Nachmittag. Ventor hat gut zu tun, er hat bereits neun Cruise-­Embleme gestochen. Nur bei der Beinahe­havarie kurz vor Gibraltar musste er seine Arbeit kurz unterbrechen. Nach Feierabend darf er dann Fan sein. „Uli Jon Roth hat mich gestern Abend weggeblasen!“, schwärmt er.

Drahtiges Jungvolk in Feierlaune

Tatsächlich ist der virtuose Gitarrenveteran, der in seinem „Tokyo Tapes Revisited“-Programm den Scorpions der Siebziger noch einmal neues Leben einhaucht, so etwas wie der Gewinner der Herzen. Als ich mich mit ihm auf Deck zum Gespräch treffe, kommt ein angerührtes Fangirl, ergreift seine magische Rechte, die mit den sehr langen spitzen Nägeln, und bedankt sich überschwänglich. Er sei von dem Erfolg der Tour und des Albums zunächst selbst überrascht gewesen, erzählt er. Andererseits, außer ihm mache es ja keiner. „Man will die frühen Sachen wieder hören, aber die Scorpions spielen nun mal ihre Hits.“ Über seine alte Band verliert er kein böses Wort, ja, er würdigt ihr Schaffen und ihre Integrität auf so loyale Weise, dass einem ganz warm ums Herz wird. „Wir sind jetzt seit über 40 Jahren befreundet, das ist doch auch was.“

Schließlich ist es Dienstag. Abreisetag. Gleich nach dem Frühstück beginnen die kosmetischen Arbeiten für die World Club Cruise. Drahtiges Jungvolk in brutalstmöglicher Feierlaune flutet die Decks und verdrängt schließlich die etwas zermürbten Altvorderen. Im Shuttle-Bus zum Flughafen werfen wir noch einen letzten Blick auf unseren Metaldampfer der guten Laune, und eine vom Alter und den Exaltationen der letzten Tage gezeichnete Stimme durchbricht die kleine Andacht: „Du armes Schiff, jetzt musst du leiden!“

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