TV/Streaming-Tipp: „Safe“ – Wenn Kinder Hilfe brauchen

Die erste Serie von Oscar-Preisträgerin Caroline Link erzählt einfühlsam von einem Therapeuten-Duo, das sich um seelisch verletzte Kinder und Jugendliche kümmert und dabei doch selbst mit Problemen zu kämpfen hat.

Psychotherapie ist ein erfüllendes Themengebiet für das Serienfernsehen. Man denke an Tony Sopranos nicht immer leichte Analyse-Sitzungen, Charlie Harpers Lehrstunden bei der scharfzüngigen Dr. Linda Freeman und die weltweit adaptierte Talking-Cure-Reihe „In Therapie“ aus Israel.

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Die Regisseurin Caroline Link (Oscar für „Nirgendwo in Afrika, zuletzt „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“) hat sich nun mit Feingefühl und einiger Finesse dem Thema Kinder- und Jugendtherapie gewidmet und in einer Miniserie verarbeitet, die durchaus in der hiesigen Serienlandschaft ihresgleichen sucht.

Worum geht’s? Die Therapeuten Katinka (Judith Bohle) und Tom (Carlo Ljubek) betreiben eine Praxis für Kinder- und Jugendpsychotherapie in Berlin und werden mit den Schicksalen von vier jungen Menschen konfrontiert, die alle auf ihre Art nicht dem entsprechen wollen, was man gemeinhin als „normal“ bezeichnet. Und nicht normal meint hier, dass sie sich den Normen durchaus auch mit heftiger destruktiver Energie widersetzen.

Die sechsjährige Ronja (Lotte Shirin Keiling) beißt im Kindergarten andere Kinder und sucht die intensive, durchaus ambivalente Nähe zu ihrem Vater. Die 15-jährige Nellie (Carla Hüttermann) leidet unter Panikattacken. Sam (Valentin Oppermann) wechselt aufgrund von Anpassungsschwierigkeiten und nach Jugendstrafen mehrfach seine Pflegeeltern. Und Jonas kämpft mit acht Jahren schon gegen Depressionen, weil der Tod viel zu früh in seinem Leben eine Rolle spielt.

Das Anliegen von „Safe“ ist offensichtlich – wie es das bei deutschen Fernsehproduktionen sowieso viel zu häufig ist. Es geht um das sorgfältige Beleuchten von kindlichem Leid, um die gesellschaftlichen Folgen von psychischen Erkrankungen und mangelnder Aufmerksamkeit für jene, die Hilfe nötig haben. Die Miniserie belässt es aber nicht bei diesem politisch gefärbten Blick auf eine Lebensrealität in Deutschland, wo viele Kinder und Jugendliche trotz erheblichen Leidensdrucks viel zu lange auf Therapieplätze warten müssen, sondern schildert behutsam das Ereignisfeld, in dem Heilung und Verständnis stattfindet.

Jeder braucht eine eigene Form von Hilfe

„Safe“ meint eben auch, das die Therapie ein Safe Space ist, ein Ort, an dem sich Seelen öffnen können und Verständnis möglich ist. Dieses Gefühl zu transportieren und das Publikum daran teilhaben zu lassen, erscheint wichtiger, als reißerisch die gut erdachten Hintergründe der Figuren auszuleuchten. „Safe“ interessiert sich fürs Beobachten, fürs Zeigen und Zuhören – nicht fürs zupackende Erzählen und feststehende Lösungen.

Die Serie wirbt dabei für die Komplexität hinter den als schwierig gebrandmarkten Lebenssituation ihrer Protagonist*innen, und bezieht dabei – wie es in Zeiten des an ambivalenten Charakteren nicht armen Qualitätsfernsehens seit Jahren normal geworden ist – auch die rettenden Engel mit ein. Katinka und Tom sind sichtbar nicht von eigenen Schwierigkeiten befreit. Die Therapeutin hat eine inzwischen wund gewordene Affäre mit einem verheirateten Arzt und einen dominanten Vater, der auch in Fragen ihres Berufs alles besser weiß. Ihr Kollege ist deutlich überfordert mit den Ansprüchen seiner Tochter.

Link hat die Drehbücher für die Serie gemeinsam mit den Kindertherapeuten Sabine Weinberger und Curd Michael Hockel geschrieben, was auch erklärt, warum therapeutische Standards hier mit etwas mehr Konzentration auf Details ausgestellt sind und verbal zuweilen nüchtern verhandelt werden. Zugleich wahrt sie hier mit dem Bewusstsein, auch einmal den Spannungsbogen zugunsten eines subtilen Zwischenspiels aufzulösen, eine kluge Distanz zum Geschehen, mit einer sehr dezent agierenden Kameraarbeit und einem minimalistischen Szenario, das dem Thema angemessen ist. Im Zentrum steht die Geschichte der Handelnden, ihre ureigene Geschichte.

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Die Figuren wachsen einem nach kürzester Zeit ans Herz. Man fiebert mit ihnen mit, wie sie sich selbst erkennen oder – und das ist in diesem Kontext der eigentliche Therapiegewinn – zulassen, sich helfen zu lassen. Denn das Credo von „Safe“ ist nicht „Du bist nicht normal (und das ist vielleicht gut so)“, sondern „Du bist nicht allein“.

„Safe“ hat 8 Folgen. Sie sind bereits in der ZDF Mediathek zu sehen. Die ersten beiden Folgen sind am Dienstag (08. November) um 20.15 Uhr bei ZDF Neo zu sehen. Weitere Episoden immer dienstags und mittwochs. 

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