Vor dem Frühstück – Roger Hodgson von Supertramp spricht über „Crime Of The Century“

1973 standen Supertramp vor der Auflösung. Ein Jahr später veröffentlichten sie "Crime Of The Century" und wurden eine der größten Bands der Welt - das Album beschallte mehr Schulfeten als fast jedes andere. Hodgson geht nun noch einmal auf Tour - und erzählt von damals.

„Der größte Schritt bei dem Album war, dass Rick und ich getrennt voneinander Songs schrieben“, sagt Hodgson. „Diese Methode machte den Erfolg aus – wir wuchsen zu echten Songschreibern heran.“ Ken Scott fühlte sich gar an Lennon und McCartney erinnert: „Es war nicht die Musik – es waren die sehr verschiedenen Charaktere.“ Die Aufnahmen hatten bereits 18.000 Pfund gekostet, als Jerry Moss (das M in A&M) das Studio besuchte. Die Songs gefielen ihm, und er genehmigte weitere Produktionszeit – aber was hätte er auch machen sollen? Im September 1974 wurde „Crime Of The Century“ veröffentlicht und erreichte Platz vier der britischen Album-Charts. „Dreamer“ wurde ein kleiner Hit, doch das Album war die Währung, in der man jetzt rechnete.

Und Supertramp waren eine Album-Band mit Singles. „Crime“ ist eine Platte, die von den Verwüstungen der Schule erzählt und von der Entfremdung. „So you think your schooling is phoney/And it’s hard not to agree“, heißt es in Rick Davies‘ „Bloody Well Right“, und Hodgson singt: „I can see you in the morning when you go to school/Don’t forget your books, you know you’ve got to learn the golden rule.“ Davies war immerhin 30 Jahre alt. Auf „Crime Of The Century“ war die Larmoyanz der Adoleszens zum Pop geworden: „You’re looking for someone to give an answer/What you see is just an illusion“, barmt Hodgson in „Hide In Your Shell“. „Loving is the way to help me, help you/Why must we be so cool, oh so cool? Oh. We’re such damn fools.“

Die Revolution fand nicht statt. Supertramp machten alles mit Schönklang platt. John Helliwell sagt: „Bei einem Supertramp-Konzert sollte es sich anfühlen, als würde man vor einer gigantischen Hi-Fi-Anlage sitzen und die Musik durch die besten Lautsprecher der Welt hören – und so war es dann.“ Supertramp gingen den Sonderweg der verletzten Zöglinge des englischen Bildungssystems, einen Sonderweg, den auch Genesis und Pink Floyd nahmen. Stille Verzweiflung war die englische Art. Und sie war triumphal. „Wunderbar und aufregend“ fand das Hodgson, damals 24. „Aber es brachte auch weitere Verwirrung in mein Leben. Meine Realität änderte sich vollkommen. Deshalb fühle ich immer mit jungen Leuten, die über Nacht berühmt werden: Das haut einen um. Erfolg bringt kein Glück. Was Glück und Erfüllung bringt: dem Leben, Gott und den Menschen dienen.“

1975 traten Supertramp in den USA auf. An der Ostküste hatte ein Agent große Hallen gebucht, obwohl niemand die Band kannte. Die Radiostationen versprachen eine Art Zirkusspektakel und verlosten Eintrittskarten, und auf den Straßen wurden Flugzettel verteilt. Wer dabei war, kam wieder – und mit „Breakfast In America“ wurden die Engländer vier Jahre später zu Superstars.

Zur neuen Edition von „Crime Of The Century“ vermeldete eine britische Zeitschrift eine Sensation: Roger Hodgson konsumierte einst LSD – einmal! Vor allem aber wurde er damals Vegetarier: „Das war auf spiritueller Ebene eine sehr kraftvolle Zeit für mich. Ich interessiere mich für Yoga und Meditation. Diese Sehnsucht nach dem Spirituellen wurde in England damals nicht verstanden, und von der Band auch nicht. Sie haben sich darüber lustig gemacht – und das war dann die ganze Zeit mit Supertramp so. Ich musste kämpfen, dass meine spirituelleren Songs auf die Alben kamen – das hat mich hart, ja fast unverwüstlich gemacht. Ich habe jedenfalls sehr viel Mitgefühl für Leute, die schikaniert werden, weil sie irgendwie anders sind oder anders denken. Das erfordert viel Mut und Stärke.“

Hodgson ist ein Esoteriker reinsten Wassers. Er spricht mit der milden Autorität eines Mannes, der sich auf einer Mission befindet und nicht von des Zweifels Blässe angekränkelt ist. Obwohl weltliche Kalamitäten ihn beschäftigen: „Jetzt bereue ich, dass wir immer die Songwriting-Credits geteilt haben. Bekanntlich schrieb ich die meisten Hits für Supertramp, aber weil Rick als Koautor eingetragen ist, teilen wir uns die Tantiemen. Natürlich war das mein größter Fehler, weil ich dadurch viel Geld verloren habe. Ich war sehr naiv, und unser Manager hat mich nicht gut beraten.“ Hodgson blickt mit Bitterkeit auf die Trennung von Supertramp: „Wenn die Mitmusiker einen nicht verstehen, macht das einsam. Und mich hat auch das Musikgeschäft genervt, es war desillusionierend. ‚…Famous Last Words…‘ war eine wirkliche Enttäuschung – wir haben überhaupt nicht ausgeschöpft, was möglich gewesen wäre.“

Das gilt freilich auch für „In The Eye Of The Storm“, seine erste Soloplatte (von 1984): Die Songs gerieten kitschig und zu lang, und Hodgson hatte offenbar sein Talent für Hooklines und gewitzte Arrangements verloren. „Brother Where You Bound“, das Album der Rest-Supertramp, ist ähnlich belanglos. Hodgson nahm noch eine mäßige Platte auf, verzettelte sich in den 90er-Jahren, versuchte ein Comeback mit sentimentalen Piano-Balladen und trat im Jahr 2010 nicht mit Supertramp auf – sondern mit Pur. Auf Schalke. „Sie haben mich gefragt, ob ich bei ihrem Konzertspektakel dabei sein wolle, und ich fand sie nett. Sie waren sehr respektvoll, und ich habe ‚Prinzessin‘ mit ihnen gesungen.“ An dieser Stelle räuspert sich der Reporter.

„Ich weiß schon, ich hätte das nicht machen sollen – aber ich höre nicht auf so was. Ich folge meinem Herzen.“

Das Herz ist ein einsamer Jäger und ein eigenwilliger Muskel. Mit seinen Songs geht Roger Hodgson nun noch einmal auf Tournee in Deutschland; eine Sammlung seiner Klassiker kann auf Hodgsons Website bestellt werden. Fans haben seine Versionen und die von Rick Davies‘ Supertramp bei Konzerten mitgeschnitten und im Netz gegenübergestellt. Und ja: Davies kann nicht so hoch singen wie Hodgson, aber beide klingen nicht wie 1979 in Paris. „Rick und seine Frau besitzen die Namensrechte an Supertramp, also kann er damit auf Tournee gehen. Er sucht sich jedes Mal neue Musiker aus, und sie repräsentieren überhaupt nicht, was Supertramp damals ausgemacht hat. Das ist eine Schande. Die Menschen lieben unsere Songs so sehr, und es fällt mir schwer zu akzeptieren, dass Leute zu diesen Konzerten gehen und denken, das wäre Supertramp. Weil sie gar nicht wissen, dass ich diese Songs geschrieben habe und sie aus meinem Herzen kamen. Manche kennen nicht mal meinen Namen. Das ist frustrierend, es verletzt mich – und es beschädigt auch den Ruf von Supertramp. Ich sehe es als meine größte Aufgabe an, meinen Namen mit meinen Songs zu verbinden.“

Roger Hodgsons Tournee heißt wie 1979: Es ist die „Breakfast In America Tour“.

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