Willander sieht fern: The Voice. Battles auf der Resterampe

Nötig wie ein Loch im Kopf: der Auftakt von "The Voice Of Germany". So das gnadenlose Fazit von Arne Willander in seiner Rubrik "Willander sieht fern".

Die Drehsessel, auf denen die sogenannten Coaches sitzen, stehen leider nicht auf Falltüren, die bei Bedarf geöffnet werden könnten. Es präsidieren: Rea Garvey, radebrechender irischer Naturbursche der Band Reamonn. Nena, die resche Puffmutter deutscher Popmusik. The Boss Hoss, proletenhafte Heimsuchung deutschen Schlager-Country-Geklampfes. Und Xavier Naidoo, der ölige Prinz der salbungsvollen Besinnungswinselei. Dieses Pandämonium sitzt in „The Voice Of Germany“ einen Aufgalopp hoffnungsfroher Sänger aus.

Nun braucht Germany natürlich eine Voice so dringlich wie ein Loch im Kopf, doch das Alleinstellungsmerkmal dieser Leistungsschau ist das Kuriosum, dass die emsigen Teilnehmer längst entdeckt worden sind, als Gesangs-Trainer arbeiten, als Musical-Darsteller oder Boygroup-Chargen. Die Show liefert nun die Begründung dafür, weshalb es mit der Karriere bisher nichts geworden ist: Kantige Fußballspieler, bemützte HipHop-Kasper, Mütter mit Hormonproblem, homosexuelle Sangeswunder und professionelle Knödeltenöre haben sämtlich Schicksale, die aus ihren übermotivierten Darbietungen quillen. Mancher Sessel bleibt zum Publikum gedreht, wenn die gepressten Vorträge ausgesuchter Emotionslieder das Klatschvolk zu Jubelstürmen hinreißt.

Oft „buzzert“ Rea Garvey als erster und überfährt rhetorisch (!) die dumpfen Boss und Hoss, indem er sich mit „Ick kann dir helfen“ andient und eine Ein-Mann-Polonäse anführt. Nena bleibt stoisch ausgerechnet bei denen, die sie heiß verehren, oder fühlt sich überfordert wie bei dem schwulen Privat-Genie Rino Galliano, das immerhin dem ebenso eitlen wie mürrischen Naidoo Respekt abnötigt: „Sogar ich würde das nicht ohne Weiteres hinbekommen.“ Boss und Hoss bekommen gar nichts hin und deshalb nur Trostpreise. Bei Nena fühlen sich vor allem Sängerinnen gut aufgehoben: Ein Mädchen entledigt sich gleich der Schuhe, um auf die sehnige Jurorin zuzulaufen.

Wie bei allen Casting-Shows überwiegt der Anteil von Migranten und Exilanten, die hier allerdings größtenteils bereits im Schaugeschäft tätig sind. Ein paar Verwandte und Freunde zittern und zagen hinter der Bühne. Moderator Stefan Gödde steht in den Kulissen wie bestellt und nicht abgeholt und hält den Unansprechbaren ein Mikrofon hin, während Pamela oder Percival auf  bemenschte Sessel hoffen. Boss und Hoss versichern einem Teilnehmer „Du bist Wow!“, und Nena will mit jedem Erwählten „dahin gehen“. Xaviert Naidoo mag vor allem die Interpretationen seiner eigenen Songs nicht und empfiehlt allen Versagern: „Ey, bleib dabei!“

Die angekündigten „Battles“ werden aus einstudierten Nummern, gewollten Gefühlsausbrüchen und zungenschweren Frotzeleien bestehen – die alle Rea Garvey gewinnen wird.

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