Zum Tod von Keith Levene: Er stellte die Weichen bei The Clash und fand seinen Sound bei PiL

Keiner baute die Brücke zwischen First Generation Punk und Post-Punk so stabil wie er – nun ist der Gitarrist Keith Levene verstorben

Im legendären Bildband der Fotografin Pennie Smith „Before & After“, welche die erste US-Tour von The Clash im Jahr 1979 in ikonischen Bildern verewigt, kommt Keith Levene nicht vor. Er wird in den Begleit-Texten mit keinem Wort erwähnt.

Wenn es jetzt in der internationalen Presse heißt, wie etwa im der Londoner Tageszeitung „Guardian“, dass „Keith Levine, Gründungsmitglied von The Clash, mit 65 Jahren verstorben ist“, dann ist der normal informierte Musikfreund erstmal etwas verwirrt. mDenn Levene hat mit der Projektband Public Image Limited (PiL) zusammen mit Ex-Sex-Pistol John Lydon (vormals Rotten) sowie Bassist und Soundtüftler Jah Wobble weit tiefere Spuren in der Pophistorie hinterlassen.

Im Meldungsjargon liest sich das dann erstmal so: Der innovative Gitarrist Keith Levene, der an seit einiger Zeit an Leberkrebs litt, ist in seinem Haus in Norfolk verstorben. Sein Einfluss auf die Post-Punk-Szene wurde diversen Kollegen mit Betroffenheit zur Kenntnis genommen. John Frusciante etwa, der dessen Stil einmal bewundernd „spektakulär“ nannte, ließ in seinen Socials verlautbaren: „Er hat die Möglichkeiten erforscht, was man mit der Gitarre machen kann“.

1980: Public Image Ltd. (L-R) Keith Levene, John Lydon, Martin Atkins, und Jah Wobble

Da The Clash gerade ihren Anfangsjahren eine ruppige Haudrauf-Truppe waren, passte der eher feinfühlige Levene nicht so recht in die Aura von Kloppern wie „White Riot“ oder „I’m so bored with the USA“. Gleichwohl war er es, der die Band mit Gitarrist Mick Jones und Basser Paul Simonon mit schüchternen 18 Jahren mitbegründete. Es war wiederum Levine, der zusammen mit dem notorischen Bandmanager Bernard „Berny“ Rhodes auf Sänger Joe Strummer gestoßen ist. Strummer spielte im Punkjahr 1977 noch bei den 101ers.

Der Sage nach befand Strummer nach einem Krawallgig der Sex Pistols in den Londoner Nashville Rooms, dass Punk ab sofort der heiße Scheiß wäre. Er kam Levenes Bitte nach und schloss sich fortan The Clash an, die in der Vorgängerformation von Mick Jones krawall-zeitypisch und bewusst politisch unkorrekt als London SS firmierten.

Levene ist Ur-Londoner, geboren im Kreativ-Bezirk Muswell Hill im Norden der Stadt und blieb immerhin „lange genug“ bei The Clash, um deren frühe Auftritten noch mitzubekommen. Er schrieb auch an einigen Songs mit, darunter das nicht sehr geschichtsträchtige „What’s My Name“ auf dem 1977er-Debütalbum. Doch schon bald danach ging dem Soundspezialisten die polternde Urban-Guerilla-Ausrichtung auf den Zeiger. Die Alternative hieß ab 1978 PiL, das Jahr der spektakulären Auflösung der Sex Pistols nach einem Konzert in San Francisco.

Der „Guardian“ erinnert an ein Zitat von PiL-Mitbegründer Jah Wobble aus dem Jahr 2012: „John hat die weise Entscheidung getroffen, Keith zu holen!“

Fortan sollte sich Keith Levene mit Warp-Geschwindigkeit vom Brachial-Rock’n’Roll der Urpunker entfernen. Das erste PiL-Album „Public Image: First Issue“ stand für diesen experimentellen Stil, dennoch konnte es im Jahr 1978 zumindest in UK Platz 22 der Albumcharts erreichen.

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Die eher knallige Single „Public Image“ kann als „Brücken-Track“ zwischen First Generation Punk und dem, was später einmal Post-Punk heißen sollte, angesehen werden. Das zweite PiL-Album „Metal Box“ von 1979 gilt als einer DER Post-Punk-Klassiker. Mit verschiedenen Drumsets und Drummern brachte die Jazz-mäßig agierende Formation neue Ausdrucksweisen von Post-Punk, Dub, Freestyle und Klassik zumindest für einige Wochen in die britischen Top Twenty.

In einem Interview sagte Levene 2012 über den driftenden Abschied von Punk: „Viele Leute dachten, ich sei klassisch ausgebildet. Totaler Quatsch!“ Und weiter: „Ich kannte den E-Akkord – und wagte mich dann an E-Moll. Unsere Aufgabe war es, die Musik für Lydon aufzubereiten. Es war damals schwer und hat einen wirklich guten Job gemacht.“

Auf dem 1981er-Nachfolger „The Flowers Of Romance“, seinem letzten Werk mit PiL, gab das Multitalent den Tastenmann. Die Verbindung mit Jah Wobble blieb über die Jahre bestehen. Auch mit den Kölner Ex-Can-Mitgliedern Holger Czukay und Drummer Jaki Liebezeit stand Levene wiederholt auf der Bühne.

Im Jahr 2021 beschrieb ihn das britische Avantgarde-Musikmagazin „The Quietus“ als „Architekt des Post-Punk-Sounds, dessen Gitarrenstil einen Platz zwischen kantigem Abrieb und der Opulenz von Pop einnimmt“. Keith Levene trat auch als Erbauer von „Custom Made“-Gitarren in Erscheinung.

Aus den verschiedenen Ur-Formationen von The Clash sind bis auf den 2002 verstorbenen Sänger Joe Strummer noch alle Mitglieder mehr oder weniger aktiv. Der einst schwer heroinabhängige Clash-Drummer Topper Headon ist weiterhin mit der Band Blockheads unterwegs. Mick Jones arbeitet immer wieder mit seinem einstigen Big-Audio-Dynamite Partner Don Letts ,66, zusammen. Dub- und Downbeat-Spezialist Letts gab wiederum bekannt, dass er auf die alten Tage sein Soloalbum veröffentlichen wird. Der Geist von The Clash schwebt also weiterhin in diversen Konfigurationen durch den Pop-Kosmos.

Laut Berichten der UK-Presse waren Keith Levines Partnerin Kate Ransford und seine Schwester Jill Bennett in seinen letzten Stunden bei ihm. Er verstarb„“peacefully, settled, cosy and loved”.

David Attie Getty Images
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