Zusammengebröselt

Ein Lied kann eine Krücke sein: Auf sonderbare Art hat sich der American Music Club wiedervereinigt

Fragt man Mark Eitzel, dann war es eine ganze Reihe von Gründen, die zur Auflösung des American Music Club vor rund zehn Jahren führten. Da wäre zum einen die ewig lange Studiosession zum letzten Album „San Francisco“: „Ich habe den ganzen Kindergarten rausgeworfen und es allein beendet. Das haben die anderen mir wohl übel genommen.“

Und dann war da der ständige Arger mit dem verhassten Management, der die Band entzweite. „Wir konnten diese gierigen Ärsche nur durch ein einstimmiges Votum loswerden, was wir aber wie immer nie hinbekamen. Wir hätten uns sowieso auflösen müssen.“ Den Todesstoß habe dem AMC dann der Ausstieg von Gitarrist Vudi versetzt „Vudi hatte die vielen Jahre wirtschaftlicher Erfolglosigkeit satt Aber er ist das Herz der Band – wie soll man ohne Herz weitermachen?“

Eitzel sitzt gemütlich in der Küche seiner deutschen Promoterin (Kekse, Weintrauben, Grippostad), wo er kurz Station für eine Handvoll deutscher Interviews macht Entgegen der realistischen Erwartung ist er gar nicht einsilbig deprimiert, sondern redselig, leidenschaftlich und offenbar sehr stolz auf „Love Songs For Patriot’s“, das Comeback-Album des AMC. „Ich war zufällig in San Fransisco, als Tim (Mooney, der Schlagzeuger des AMC) mich anrief und zum Kaffee einlud, nur so zum Reden“, rekapituliert er die Reunion, „als ich dann aber in sein Studio komme, steht da sein Drumset, voll mikrofoniert, und Danny (Pearson, der Bassist) hockt grinsend daneben. Ich dachte nur: Fuck,fuck,fuck, die haben mich reingelegt. Es war so, als würde man zu einem Freund gehen, von dem man absolut nichts will, und dann steht er plötzlich splitternackt vor einem!“

Als die geschickt eingefädelte Session dann aber doch für alle zur tollen Erfahrung geriet, war der Anfang gemacht Dass die neue Platte des American Music Club ganz wunderbar geworden ist und das ungenügend qualitätskontrollierte Solowerk Eitzels weit in den Schatten stellt, liegt vor allem an Eitzel selbst Wo die indifferente Dauerdepression früherer Alben manche Kontur verwischte, scheint der Sänger und Liederschreiber nun hoffnungsvoller, sogar zielgerichtet „Meine Songs sind selffulfilling prophecies“, erklärt er, „wenn ich früher ständig mein Leid besungen habe, dann war das, als würde ich brennende Zigaretten auf meinem Arm ausdrücken. Wenn ich mir jetzt selbst zurufe, ich solle endlich aufstehen, dann ist das eine Krücke, ja. Aber ich brauche diese Krücke.“

Doch „Love Songs For Patriots“ ist auch eine politische Platte. Wenn Eitzel die Hörer gleich im ersten Lied „Ladies & Gentlemen“ auffordert, sie alle sollten ihr Licht scheinen lassen, dann geht der Ruf zunächst an seine Landsleute und gegen die verhasste Bush-Regierung. „Ich habe diese Dokumentation über Feuerwehrleute gesehen, die zufällig am 11. September bei den Twin Towers zu tun hatten, als es passierte. „Da sind Leute im 85. Stock?“, fragte der eine, ‚okay, rauf da.‘ Dieser Mut ist unfassbar – und er ist exakt das, was unsere jetzige Regierung nicht verkörpert. Wir feiern diese Helden nur, um sie auf Distanz zu halten! Amerika schläft ein, und wir müssen es dringend aufwecken.“

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