Debbie Harry von Blondie im Interview: „Ich mag das Wort Ikone nicht, es ist verbraucht.“

Am Donnerstag erscheint unser neues Heft und mit ihm die neue Blondie "Panic Of Girls". Jörn Schlüter sprach für uns mit Debbie Harry über das neue Album, die letzten Jahre und die Last, eine Ikone zu sein.

Weil das neue Album von Blondie dem Juli-Heft des ROLLING STONE beiliegt, war an dieser Stelle schon einiges über die Songs darauf zu lesen. Nun spricht Debbie Harry selbst – über „Panic Of Girls“,  das Wesen von Blondie und darüber, wie es ist, eine Kultfigur zu sein. In unserer neuen Print-Ausgabe finden Sie ein weiteres Interview mit der Blondie-Sängerin, das ihre Rolle in den wilden 70ern in den Mittelpunkt stellt – und dabei auch die Risiken und Nebenwirkungen dieser Zeit  nicht auslässt.

Debbie Harry, was freut Sie an dem neuen Blondie-Album am meisten?
Mich freut vor allem, dass wir jetzt endlich neue Musik haben. Es ist mir sehr wichtig, weiter zu gehen und nicht nur das Alte zu wiederholen.

Was ist denn das Neue an „Panic Of Girls“?
Ich höre nichts grundsätzlich Neues, aber ich höre, wie sich die einzelnen Mitglieder mit ihrem Stil einbringen. In diesem Sinn haben Blondie immer Crossover-Musik gemacht – schon damals, als wir uns als Punkband mit Synthesizern auseinandersetzten.

Auf der neuen Platte singen Sie ein Lied auf französisch, das ist ungewöhnlich.
Das war Chris‘ Idee (Chris Stein, Gitarrist und Songschreiber von Blondie). Er hatte Gainsbourg im Kopf und setzte sich mit seinem Kumpel Gilles Roberilles zusammen, um den Song zu schreiben. Der Text ist also richtiges Französisch, auch wenn meine Aussprache ein bisschen holpert.

Auch mit Zach Condon von Beirut haben Sie zusammengearbeitet.
Ich sah ihn mit seiner Band in Austin und fand sie irrsinnig gut. Chris und ich besuchten Zach später bei einer Show in New Jersey – da hatte Chris schon seine Reggae-Version von „Sunday Smile“ aufgenommen. Wir haben ihn dann ins Studio eingeladen; jetzt ist er bei einigen Songs dabei.

Warum hat es acht Jahre gedauert, ein neues Blondie-Album zu produzieren?
Wir hätten gern schon eher eines veröffentlicht, aber ich habe ein Soloalbum gemacht und Chris zieht seine zwei kleinen Kinder groß. Auch der Zusammenbruch der Plattenfirmen in den USA hat uns direkt betroffen. Weil wir eine classic band sind, bekamen wir nur noch Angebote für Wiederveröffentlichungen unseres alten Repertoires, woran wir natürlich kein großes Interesse hatten. Es hat ein bisschen gedauert, bis wir neue Musik auf den Markt bringen konnten. Das ganze Business hat sich enorm verändert; man muss neue Wege gehen. Gerade die jungen Bands sind sehr auf sich selbst gestellt.

Kann das nicht auch eine gute Entwicklung sein? Es ist doch auch romantisch, nicht gleich ans Business zu denken, sondern erst mal einfach zu spielen und auf Tournee zu gehen.
Das war ja nie anders. Wir haben damals, als es noch richtige Plattenverträge gab, auch ein paar Jahre gebraucht, bis wir unseren Lebensunterhalt mit der Musik verdienen konnten. Aber es stimmt schon – ohne das Business ist zum Beispiel das Verhältnis des Publikums zur Band romantischer. Ich erinnere mich, wie sich ganz am Anfang Fans bei uns beschwerten, als nicht mehr fünf, sondern fünfundzwanzig Leute zu unseren Shows kamen. Sie fühlten sich betrogen.

Erkennen Sie in den den Texten der neuen Songs so etwas wie durchgängige Themen?
Noch nicht, da müssten Sie jemand anderes fragen. Normalerweise geht es in der Pop- und Rockmusik doch aber um Beziehungen, ein gutes Sexleben und die große Liebe.

Das scheint mir ein bisschen zu bescheiden. Ich hatte immer den Eindruck, bei Blondie gibt es eine Art doppelten Boden.
Danke für das Kompliment. Natürlich habe ich mich immer um Texte bemüht, die persönlich sind und mich in irgendeiner Weise intellektuell oder emotional betreffen. Ich habe allerdings erst im Lauf der Jahre begriffen, wie Blondie funktioniert – wir schreiben diese schönen, musikalisch interessanten Popmelodien, doch was wir sagen, ist Punk. Deshalb gehörten wir damals ja auch in diese Szene, obwohl unsere Musik Pop war.

Diese Spannung hat Sie zur Ikone gemacht.
Ich mag das Wort Ikone nicht, es ist verbraucht. Kultfigur ist mir lieber, das klingt interessanter.

Ist es denn schön, eine Kultfigur zu sein?
Das Showgeschäft lebt von solchen Dingen. Du und deine Musik werden aufgeladen, das Publikum erkennt etwas in dir. Ich liebe, was ich tue und arbeite hart an dem öffentlichen Bild von mir. Aber es gibt natürlich eine andere Seite, auf der ich meine Individualität zu schützen versuche. Das ist alles so fifty, fifty.

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