Im Studio mit The Roots

US-Kollege Simon Vozick-Levinson traf Ahmir "?uestlove" Thompson und Tariq Trotter (alias "Black Thought") von The Roots für uns im Studio und sprach über ihr neues, dunkles Album "undun".

The Roots
Das Cover von „undun“ – dem düsteren neuen Album von The Roots.

Das Streicherquartett hat den Take bereits ein Dutzend Mal gespielt, als Ahmir „?uestlove“ Thompson das „Soho Studio“ betritt, wo die Roots gerade die finalen Overdubs für ihr neues Album aufnehmen. Der Drummer und Produzent bleibt in der Mitte des Raumes stehen, schließt die Augen und lauscht dieser ergreifenden, traurigen Kammermusik, die am Ende des Albums erklingen wird. Er hält sein Pokerface, bis der letzte Ton verklingt. Dann grinst ?uestlove und spricht sein Urteil: „Wundervoll!“

Als The Roots 2009 zur Hausband der Show „Late Night With Jimmy Fallon“ wurden, hätte man es ihnen nicht übel genommen, wenn sie nach 14 Jahren on the road mal ein wenig kürzer getreten hätten. Doch stattdessen ging die Fallon-Anstellung einher mit einem ungeahnten Produktivitätsschub: Ihr rabenschwarzes neues Konzeptalbum „undun“ ist ihr drittes Album in nur 18 Monaten. „Man sollte vorsichtig mit solchen Äußerungen sein, aber ich glaube, es ist unsere bisher überzeugendste Arbeit“, sagt Thompson, als er nach den Streicheraufnahmen im Studio relaxt.

Zur Überraschung der Roots hatte die Band dank des Fallon-Jobs auf einmal viel Zeit, um in einem Studio, das ihnen die NBC im 30 Rockefeller Center zur Verfügung stellte, an Grooves und Riffs zu arbeiten. „Im Durchschnitt schafften wir drei bis elf neue Songs pro Tag“, so Thompson.

Vor einem Jahr begannen Thompson und Raper Tariq Trotter (alias „Black Thought“) dann, das beste Material aus diesen Sessions in eine Story einzubetten, die um einen Charakter namens Redord Stephens kreist, der im Alter von 25 Jahren erschossen wird. Stephens ist ein fiktiver Charakter, aber sein Schicksal fühlt sich authentisch an – zum Teil, weil Trotters Eltern selbst gewaltsam zu Tode kamen, als er 18 Jahre alt war. „Redfords Schicksal ist nicht ungewöhnlich in Philadelphia“, erklärt der MC ein paar Tage später, während ein Friseur ihm für die Fallon-Show am Abend noch einmal die Haare trimmt. „Ich kann mich noch daran erinnern, dass ich niemals daran geglaubt habe, 30 Jahre alt zu werden. Ich kannte nicht viele, die dieses Alter schafften.“

Thomspon und Trotter, die The Roots schon in der High School gemeinsam gründeten, wurden in diesem Jahr 40. Nach 25 Jahren des gemeinsamen, kreativen Arbeitens gehen die beiden nun oft getrennte Wege außerhalb ihres Jobs – selbst „undun“ wurde in getrennten Sessions eingespielt. „Er hat seinen Scheiß in seinem Studio – ich meinen. Da schwirren total gegensätzliche Ansichten, Sounds und Aromen durch den Raum“, so Trotter. „Letzten Sonntag war ich dann auf einmal mit Ahmir im selben Studio. Das war seltsam. Wir fragten uns wohl beide: ‚Was machen wir hier eigentlich?‘ Aber unsere gemeinsame Auffassung von Arbeit ist das, was die Roots all die Jahre zusammengehalten hat.“

Im Studio bittet derweil Thompson, den Rough Mix der LP abzuspielen. Verstimmte Pianos, harte, pochende Drums, Chor-Arrangements und dringliche, fordernde Lyrics dröhnen aus den Monitorboxen und erfüllen den Raum mit einem paranoiden Funk Vibe irgendwo zwischen „There Is A Riot Going On“ und „Kid A“. Dieses düstere, experimentelle Album wäre für die meisten Bands ein Wagnis, aber die Roots sind einer günstigen Position: Sie können auf den regelmäßigen Scheck der NBC zählen, und ihr Label Def Jam gewährt ihnen inzwischen alle Freiheiten. „Wenn wir nur The Roots hätten, wenn das unser aller einziger Job wäre, dann bezweifle ich, dass wir den Mut zu einem solchen Album gehabt hätten“, gesteht Thompson.

Jetzt müssen sie nur noch einen Weg finden, „undun“ auf die Bühne zu bringen. „Das wird die wahre Herausforderung: Werden wir genug Eier haben, diese Musik aufrecht und ehrlich an den Mann zu bringen?“, fragt sich Thompson – und nennt dann die Live-Shows von Portishead und Radiohead als Inspiration. „So was in der Art haben wir momentan im Sinn.“

Def Jam / Universal
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