Lambchop – Mr. M

City Slang Mr. M

VÖ: 24. Februar 2012

Es wird schwer sein, über das neue Werk von Lambchop zu sprechen. Kurt Wagner hat ein Album aufgenommen, das ausgeht vom Freitod des Freundes Vic Chesnutt – kein Trauergesang, sondern ein musikalischer Versuch über die Liebe angesichts des Sterbens. Wir werden sagen, hast du sie schon gehört, und antworten, ja, und dann werden wir vergeblich nach Worten suchen. Man kann nicht sagen, die Platte ist gut oder nicht gut, oder der komische Kauz hat es wieder geschafft. Wagner lässt uns wissen, dass es ihm bitterernst ist mit diesen Liedern und dass er nichts weniger hofft, als dass sie uns helfen werden, darüber nachzudenken, was am Leben wichtig ist. Die Liebe, das gemeinsame Durch-die-Jahre-Gehen.

Wagner hat Lieder geschrieben, die einem auch ohne das Wissen um den Hintergrund zum Weinen bringen. Man hat denselben Kloß im Hals wie der Sänger: Menschen verschwinden zur Küste, verbringen ihren letzten Abend auf dem Kontinent, hören wieder die irren Flöten im Kopf. Wagner schreibt scheinbar beliebige Alltagsbetrachtungen – Opa muss husten, es ist schön, mit dir zu kochen –, malt uns aber Bilder in den Kopf, deren Schlichtheit und milder Realismus mehr übers Leben sagen als manches Philosophiebuch. Hier die Erinnerung an den toten Freund („Mr. M“), dort das Bekenntnis zur Liebe („Never My Love“).

Das Cover hat Wagner selbst gemalt. Die Malerei war seine Zuflucht, denn Musik schien zunächst nicht mehr möglich. Aber als Langzeit-Produzent Mark Nevers ein sehr konkretes Konzept vorschlug, wollte Wagner doch wieder singen. Unter dem Motto „Psycho-Sinatra“ hat Nevers einige der Songs auf „Mr. M“ mit Swing- und Crooner-Jazz-Arrangements anreichert. Zum Beispiel „If Not I’ll Just Die“, das fast von Neil Hannon stammen könnte (wäre da nicht diese Traurigkeit). Anderswo ordnet Nevers die Streicher und Flöten an, als würde gleich Burt Bacharach auftreten (wäre da nicht diese Traurigkeit). Die leicht verfremdeten und bittersüßen Orchesterarrangements wölben sich über Wagners Narrativen wie ein Traum.

Die andere Hälfte des Repertoires sind langsame, verschwiegene Lieder mit einer vorsichtig agierenden Band. „Gone Tomorrow“ ist erst sanft galoppierender Country-Folk, dann eine instrumentale Collage aus Streicher-Crescendi und fernöstlichen Kadenzen, am Ende deutet die Band eine Krautrock-Improvisation an. Bei „Buttons“ ist Wagner der unwahrscheinlichste Crooner der Welt, die Geigen barmen bis zum schmerzhaften letzten Akkord.

Mit seinem vorigen Album, „OH (Ohio)“, hatte Kurt Wagner sich selbst in die erste Reihe gestellt, war nicht mehr nur der geniale Künstler, der Nashville-Cracks für die Verwirklichung seiner Musik braucht. Auf „Mr. M“ geht diese Entwicklung weiter. Wagner geht ganz vorn, alle folgen ihm, bis die Platte dasteht. Groß, traurig, hoffnungsvoll. 

Beste Songs: „Buttons“, „Gone Tomorrow“