Richard Dawson
„End Of The Middle“ – Minimal-Zauber
Domino (VÖ: 14.2.)
Spröde Songs und Anrührendes vom britischen Storyteller.
Vielleicht ist Richard Dawson am Ende angelangt. Oder zumindest am Ende der Mitte, so der Titel seines neuen Albums. „End Of The Middle“ markiert jedenfalls einen Neuanfang. Zuvor hatte der Songwriter aus Newcastle eine Trilogie veröffentlicht, die soziale Missstände beleuchtete, aus der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Ein mammutgroßes Projekt, mit Songs teils über vierzig Minuten lang. Nebenbei vollendete er mit der finnischen Dada-Psych-Truppe Circle noch einen Liederzyklus über das Leben eines Pflanzensamens.
Nun sucht Dawson auf „End Of The Middle“ den Zauber im Kleinen, quasi als Reaktion auf den vorherigen Maximalismus. Die Songs sind karg instrumentiert, mit schnarrenden Drums und knorrigen, harfenartig gezupften Gitarren. Manchmal trötet dazu dissonant eine Klarinette. So spröde die Musik auch ist, so sehr lässt sie Dawsons verworrene Gesangsmelodien funkeln. Mal klingt seine Stimme brummbärig wie ein Märchenonkel, mal schraubt sie sich nach oben und driftet in ein ungeschliffenes Falsett ab. Wacklig singt er, immer knapp am richtigen Ton vorbei, rau und berührend.
Eine Art Sammlung musikalischer Kurzgeschichten, mitten aus dem Leben gegriffen
Und auch die Geschichten berühren, die Richard Dawson erzählt. Da gibt es die Großmutter in „Gondola“, die von einem Urlaub in Venedig mit ihrer Enkelin träumt. Den Kleingärtner in „Polytunnel“, den die Zucht von Ackerbohnen und Zuckerrüben erfüllt. Oder den Vater in „Bullies“, der als Schüler gehänselt wurde und sich jetzt selbst mit einem mobbenden Sohn herumschlagen muss. „End Of The Middle“ entfaltet sich als eine Art Sammlung musikalischer Kurzgeschichten, mitten aus dem Leben gegriffen.
Nur „More Than Real“ durchbricht die kargen Klänge von Gitarre und Schlagzeug mit verwaschenen SynthieStreichern und wohlklingendem Kitsch. Der Song, ein Duett mit Dawsons Frau, Sally Pilkington, handelt von einem Vater, der im Sterben liegt, und seiner entfremdeten Tochter. Es kommt hier natürlich trotzdem zu einem versöhnlichen Abschluss. Das Ende der Mitte wird dann buchstäblich zu einem heilenden Neuanfang. Denn weiter geht es immer.
Diese Review erschien im Rolling Stone Magazin 2/25.